Vorträge 2011


Prof. Urs Hugentobler, 19. Dezember 2011

Satellitennavigation - Wo stehen wir?

Galileo & Co. verändern die Welt der Navigation
GIZ-Vortrag über Satellitennavigation und den Beitrag des Observatoriums Wettzell

Seit dem Oktober 2011 ist es nun endlich soweit: Nach längeren Verzögerungen befinden sich nun die ersten Galileo-Satelliten im Orbit auf ihren vorbestimmten Positionen. Damit betreibt nun Europa die ersten Satelliten seines eigenen Satellitennavigationssystems und reiht sich in eine Liste bestehend aus dem US-amerikanischen GPS, dem russischen Glonass, den chinesischen Compass-Satelliten und dem japanischen QZSS. Dabei ist das europäische System das einzig zivile, das seine Dienste zum Beispiel für die Flugnavigation sicher und zuverlässig weltweit garantiert und weitere Dienste anbietet, wie den Such- und Rettungsservice zum Orten von Verunglückten. Galileo setzt nicht nur hierbei neue Maßstäbe, sondern nutzt auch wesentlich verbesserte Techniken. Unter anderem sendet es auf drei Frequenzen, um die Genauigkeit weiter zu steigern. Blickt ein Nutzer mit Navigationsempfänger in nicht allzu ferner Zukunft in den Himmel, kann er aber nicht nur Satelliten eines Systems sehen. Deshalb werden Kombi-Geräte in Zukunft die verschiedenen Systeme gemeinsam nutzen. Damit dies aber funktioniert sind exakte Bahndaten von entscheidender Bedeutung. Unter anderem im sogenannten CONGO-Netzwerk werden dazu maßgeblich von der Technischen Universität München, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt,  dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie und weiteren über 20 weltweit verteilte Stationen genutzt. CONGO steht für COoperative Network for GIOVE Observation und hat bislang sehr genaue Bahndaten der Galileo-Testsatelliten, der GIOVE-Satelliten, berechnet. Zur Verifikation dieser Bahndaten werden am Observatorium in Wettzell zusätzlich Laserentfernungsmessungen zu den Satelliten der Global Navigation Satellite Systems (GNSS), wie man die Summe aller dieser Systeme nennt, durchgeführt.

Darüber referierte am vergangenen Montag Prof. Urs Hugentobler von der TU München, der zudem Vorsitzender des Internationalen GNSS Dienstes ist. In seinem Vortrag „Satellitennavigation – Wo stehen wir?“ beleuchtete der gebürtige Schweizer nicht nur phantastische Effekte, wie zum Beispiel die Messung von atmosphärischen Effekten oder von Erdbebenwellen mittels GNSS sondern erklärte auch die Grundprinzipien. Diese sind in erster Linie ganz einfach. Jeder Satellit sendet regelmäßig einen „Zeitstempel“ aus. Diese Zeitmarke wird im Satelliten mittels einer präzisen Uhr, zum Beispiel einer Atomuhr oder einem Maser, generiert. Das Signal mit den Satelliteninformationen und dem Zeitstempel ist dann nach dem Aussenden eine gewisse Zeitspanne unterwegs, bis es im Empfänger ankommt. Dieser generiert ebenfalls solche Zeitmarken und vergleicht sie mit den eintreffenden Signalen. Aus der Verschiebung der eintreffenden Signale zu den generierten lässt sich die Laufzeit des Signals und mittels der Lichtgeschwindigkeit die Entfernung zum Satelliten bestimmen. Führt man diese Messungen zu vier Satelliten durch, hat man seine Raumkoordinaten. Damit hat man also ein jederzeit und überall verfügbares Einweg-Navigationssignal, das die Position und die Geschwindigkeit des Empfängers, aber auch den Zeitpunkt hochgenau anzeigen kann, wobei der Empfänger selbst nichts aussenden muss.

Prinzipiell würden dazu drei Satelliten reichen. Ein Problem dabei ist nur, dass in dem ganzen System die Uhren zueinander synchron laufen müssen, was praktisch nicht möglich ist. Mit Hilfe eines Tricks durch Zuhilfenahme eines vierten Satelliten lässt sich diese Uhrensynchronisation rein rechnerisch aber erreichen. Zudem ist die Genauigkeit von Bahnstörungen beeinflusst, zum Beispiel durch die unterschiedliche Erdanziehung, die Erdabplattung, die Anziehung durch Mond und Sonne, den direkten Strahlungsdruck der Sonnenstrahlung, Gezeiteneffekte, relativistische Effekte und weiteren. Sogar der Strahlungsdruck durch die von der Erde reflektierten Sonnenstrahlen oder der entstehende Rückstoß durch die ausgesandte Mikrowellenstrahlung des Navigationssignals haben Einfluss. All diese Faktoren müssen deshalb exakt modelliert werden. Damit die Bahndaten immer wieder auch mit anderen Techniken überprüfbar sind, messen Stationen wie Wettzell oder die Tochterstation TIGO in Concepción in Chile permanent bei gutem Wetter mittels Laser die Entfernung zu den Satelliten. So war auch TIGO die erste Station, die einen der neuen Galileo-Satelliten „tracken“ konnte. Diese Daten werden dann mit den Daten der permanent installierten, weltweiten GNSS-Empfängern verglichen, von denen Wettzell und speziell das BKG zahlreiche weltweit betreiben. Nur dadurch bleiben die Navigationssysteme so genau, wie sie aktuell sind.

Dabei lassen diese Stationen es nicht nur zu, Positionen und damit tektonische Plattenverschiebungen zu messen. Sie werden mit Hilfe der technischen Eigenschaften von GNSS auch selbst zu „virtuellen Atomuhren“ mit sehr hoher Zeitgenauigkeit. Dadurch dass die Mikrowellen die Erdatmosphäre passieren, kann man mit ihnen sogar den Wasserdampfgehalt erfassen, Bewegungen von Elektronenwolken in der Atmosphäre erkennen, die Erdrotation bestimmen oder Bewegungen während und nach Erdbeben sichtbar machen. Beeindruckend sind dabei zum Beispiel die Verschiebungen und die Ausbreitungen der Wellen des schweren Erdbebens in Japan. Hier wurden in Bruchteilen von Sekunden Verschiebungen von bis zu 5 Metern sichtbar.

So blickt man mit den neuen Systemen in eine spannende Zukunft, auch wenn die Kosten weit über dem Prognostizierten liegen. Doch Deutschland kann sich nicht beschweren, werden doch aktuell die Satelliten von deutschen Firmen gebaut. Und während bislang der amerikanische Steuerzahler über Militärmittel das für uns kostenlose und mittlerweile von fast jedem genutzte GPS finanziert, werden nun einige Kosten für die mittlerweile aus dem Alltag nicht mehr wegzudenkenden Navigationsdienste auch auf den europäischen Steuerzahler zukommen, dafür aber für ein ziviles und sicheres System mit extremer Genauigkeit.

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Alfred Holl, 10. November 2011

Kalendersysteme: astronomische Grundlagen und historische Entwicklung

Stundengötter bestimmen noch heute die Wochentage
GIZ-Vortrag über Kalendersysteme und die astronomischen Grundlagen

Saturn, Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter und Venus sind nicht nur Himmelskörper im Sonnensystem, sie bestimmen auch seit dem Geozentrischen Weltbild unsere Wocheneinteilung. Ihnen zugeordnete Wochentagsgötter sind nämlich die Namensgeber für unsere Wochentage. So kann zum Beispiel die Venus als Namensgeberin für den Freitag identifiziert werden, wenn man weiß, dass ihr nordgermanischer Name Freyja ist. Doch nicht nur als Namenspatrone beeinflussen Himmelskörper unsere Woche, die Bewegungen im All bestimmen unsere gesamte Jahres-, Monats- und Tageseinteilung. Speziell die Bewegung der Erde um die Sonne bestimmt die Jahresabläufe, die Bewegung des Mondes war Zeitgeber für die Einteilung in Monate und die Eigenrotation der Erde bestimmt den Tag. Jedoch sind diese Bewegungen nicht so gleichförmig, wie sie zum Beispiel zur Einteilung von Jahreskalendern nötig wären. Ein Jahr hat nicht genau 365 Tage, sondern 365,25636 Tage (siderisches Jahr genannt), was zu den nötigen Schaltjahren mit 366 Tagen führt. Zudem ergeben sich Abweichungen durch die Taumelbewegung der Erde, deren Erdachse wie bei einem schrägstehenden Kreisel permanent die Richtung ändert. Diese Präzession führt dazu, dass zum Beispiel ein tropisches Jahr kürzer ist, als ein siderisches und dass in 13000 Jahren bei uns in den Wintermonaten Sommer sein wird, weil dann die Schräglage der Erdachse genau in die Gegenrichtung gekippt ist.

Über diese faszinierenden, jedoch eher theoretisch-mathematischen Zusammenhänge referierte am vergangenen Donnerstag Prof. Alfred Holl von der Ohm-Hochschule Nürnberg in seinem Vortrag über „Kalendersyteme: astronomische Grundlagen und historische Entwicklung“. So ist zum Beispiel auch die Tageslänge über ein Jahr hinweg nicht konstant, da sich die Erde während einer Rotation um die eigene Achse auch auf der Bahn um die Sonne weiterbewegt. Zudem ist die Geschwindigkeit auf der Ellipsenbahn um die Sonne nicht immer gleich schnell. Nach dem Zweiten Keplerschen Gesetz ist die Erde deshalb in Sonnennähe schneller unterwegs, als wenn sie auf der Ellipse weiter von ihr weg ist. So muss ein Punkt auf der Erde in Sonnennähe weiter drehen, um nach einem Tagesumlauf wieder in selber Richtung zur Sonne zu stehen. Weiter weg von der Sonne muss derselbe Punkt weniger weit drehen. Übers Jahr hinweg ergeben sich so ungefähre Tagesschwankungen von plus 18 bis minus 16 Minuten. Genaue Sonnenuhren, wie die am Observatorium in Wettzell, berücksichtigen diese Gleichung.

Alle diese Effekte sind deshalb auch in der Erstellung von Kalender zu berücksichtigen. Wir benutzen diese Kalendarien heute selbstverständlich. Dabei haben sie eine lange Tradition und die Einteilung von Monatslängen etc. war ein langwieriger Prozess basierend auf  astronomischen Beobachtungen seit der Zeit der Babylonier und früher. So gibt es verschiedene Ausgangspunkte für Kalender. Basiert die Einteilung nur auf der Sonne, ohne Berücksichtigung des Mondes, spricht man vom Sonnenkalender, wie z.B. unserem gewohnten, christlichen Gregorianischen  Kalender. Der Islam hingegen nutzt einen reinen Mondkalender während das Judentum eine Mischung beider als Lunisolarkalender einsetzt. Bei letzterem wird versucht, dass ein Mondmonat etwa einem Kalendermonat entspricht. Der frühere, in Europa gebräuchliche Julianische Kalender von Julius Cäsar basierte ebenfalls auf solchen Überlegungen und noch heute wird der Ostersonntag anhand dieses Kalenders als erster Sonntag nach dem Frühlingsvollmond berechnet, obwohl 1582 von Papst Gregor XIII. der neue gregorianische Kalender eingeführt wurde. Um die bis dahin im Julianischen Kalender nicht berücksichtigte, astronomische Verschiebung des Frühlingsanfangs von 10 Tagen zu korrigieren, folgte auf Donnerstag den 05.10.1582 der Freitag 15.10.1582. Seit jener Zeit ist dieser Kalender unsere Einteilung für die Jahre.

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Rainer Kresken, 28. Oktober 2011

Gezeiten überall - von nassen Füßen, Ozeanen unter Eis und zerissenen Sternen

Die Kraft des Mondes
GIZ-Vortrag über die Gezeiten der Himmelskörper

"Wettzell ist weit weg von der Nordseeküste, und trotzdem ist das Interesse an den Gezeiten so groß", sagte Rainer Kresken am vergangenen Freitagabend überrascht, angesichts des überfüllten Vortragsraumes des Geodätischen Observaroriums. Denn Kresken, Raumfahrtingenieur bei der europäischen Weltraumagentur ESA, ist kein Unbekannter im Landkreis. So hat er vor 4 Jahren in der Jahnhalle den legendären Vortrag über die angebliche Mondlandungslüge gehalten und die Argumente der Zweifler systematisch zerlegt. Und auch mit seinem Vortrag über die Gezeiten, also die Wirkung der Anziehungskraft von Monden, Planeten und Sternen auf andere Himmelskörper, hat wieder viele Interessierte angezogen.

Für die Küstenbewohner ist es Alltag, für die meisten Menschen ist es ein faszinierendes Naturschauspiel: Ebbe und Flut, das zwei mal täglich stattfindende Zurückziehen und Wiederkehren des Meeres. Verursacht wird das Phänomen durch die Überlagerung der Anziehungskraft des Mondes und der Fliehkraft des Erde-Mond Systems, die sogenannten Gezeitenkräfte. Sie verursachen Gezeitenwellen, die theoretisch von Ost nach West um die Erde laufen. Da die Ausbreitung der Gezeitenwellen durch die Landmassen behindert wird, kommt es je nach Küstenform und Wassertiefe zu komplexen Mustern von Phase und Amplitude, also Ankunftszeit und Höhe des Flutberges. Während auf dem offenen Ozean die Amplituden etwa 0,5 m betragen, können sie in flachen Küstenbereichen dramatisch zunehmen. So erreicht der Tidenhub an der Nordseeküste 2 m und in der Bretagne bis zu 15 m. Durch die Überlagerung der vordringenden und der an den Küsten reflektierten Welle entstehen Wellenknoten, an denen der Tidenhub Null beträgt, sogenannte Amphidrome.

Besonders groß sind naturgemäß die Gezeiten, wo große Massen im Spiel sind wie z.B. beim Jupiter. Seine Monde sind sehr starken Gezeitenkräften ausgesetzt. Die Oberfläche des innersten Mondes Io hebt und senkt sich währen eines Umlaufs um 100 m, bei der Erde sind es gerade mal 40 cm. Durch das regelmäßige Durchkneten des Mondes wird so viel Reibungswärme erzeugt, dass Gesteine aufgeschmolzen werden, auf Io aktiver Vulkanismus existiert uns auf dem Mond Europa sich unter einer Eisschicht flüssiges Wasser befindet, eine Voraussetzung für mögliches Leben.

Die Gezeiteneffekte sind aber nicht auf Planeten und Monde beschränkt. Nähern sich z.B. Sterne einander bis auf eine kritische Distanz, den sogenannten Lagrange-Punkten, zieht der massereichere Stern oder gar ein "schwarzes Loch" Materie von dem anderen Stern ab, bis dieser schließlich zerrissen wird und in einer kosmischen Katastrophe vergeht.

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Prof. Hanns Ruder, 20. September 2011

Die Physik des „Star Trek“ Universums

Mit Warp-Geschwindigkeit durchs Universum und zurück
Vortrag von Prof. Ruder über das "Star Trek Universum" im Technologie-Campus Cham

"Der Weltraum - unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise ?" Mit diesen Worten tauchen die Zuschauer zu Beginn jeder Folge von Raumschiff Enterprise in die Science Fiction- Welt von Warp-Antrieb, Holodeck, Beamen,  Überlichtgeschwindigkeit, Wurmlöcher, Antimaterie und Zeitreisen. Darin werden mit Leichtigkeit riesige Raumschiffe innerhalb weniger Sekunden auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und reisen dann zu weit entfernten Galaxien. Vergleicht man dies mit den Anstrengungen der realen Welt, Menschen auf den nur 1,3 Lichtsekunden entfernten Mond zu bringen und anschließend wieder heil zurück, scheint die Phantasiewelt der Serie selbst in unendlicher Weite zu liegen. Doch was ist wirklich dran an den Erzählungen der SciFi-Autoren?

Dieses Thema wird am kommenden Dienstag (20.09.) Prof. Hanns Ruder, emeritierter Professor für Astrophysik der Universität Tübingen in seinem legendären Vortrag "Die Physik des Star Trek Universums" analysieren. Der begeisterten Science Fiction Fan taucht dabei mit dem Sachverstand des Astrophysikers und Relativistikers in die Phantasiewelt ein und zeigt so grundsätzliche, physikalische Grenzen aber auch Möglichkeiten auf. Mit der Begeisterung eines Visionärs und dem lockeren Erzählstil eines Entertainers hat er so bereits einige Auszeichnungen für seine anschauliche und trotzdem fachkundige Wissenschaftsdarstellung erhalten, darunter unter anderem die  "Medaille für Naturwissenschaftliche Publizistik" von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Prof. Ruder ist vielen im Landkreis bereits als Publikumsmagnet durch seine jährlichen Vorträge beim Förderverein Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. (GIZ) bekannt.

Diesmal konnte aber der Aktionskreis Lebens- und Wirtschaftsraum Landkreis Cham e.V. in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Schule-Wirtschaft Cham und dem Kompetenznetzwerk mech@tronik in Kooperation mit dem GIZ Prof. Ruder nach Cham holen. Finanziert wird die Veranstaltung hauptsächlich von der Sparkasse im Landkreis Cham und läuft im Rahmen des Internationalen Forums "mechatronik", das in diesen Tagen am Technologie Campus Cham stattfindet. Der Vortrag findet deshalb im Technologie-Campus Cham statt und beginnt um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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Andreas Reinhold, 9. Juni 2011

Erdvermessung in der Antarktis – die deutsche Station O’Higgins

Für die Geodäsie immer wieder in die Antarktis und zurück
GIZ-Vortrag über das Geodätische Observatorium O'Higgins in der Antarktis

Schon alleine die Anreise stellt Wissenschaftler vor eine Herausforderung, geht es auf den wohl am wenigsten zugänglichen Kontinent dieser Erde: die Antarktis.  Trotzdem ist sie ein lohnendes Ziel für zahlreiche Forschungsvorhaben. Verschiedenste Forschungsstationen haben sich zahlreiche Aufgaben gestellt, hinter die Geheimnisse dieses kalten Kontinents zu kommen. So auch die um 1990 erbaute German Antarctic Receiving Station O'Higgins. Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Oberpfaffenhofen und vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) betriebene Empfangsstation für Daten der Erdbeobachtungssatelliten ist zudem auch als Geodätisches Observatorium ausgebaut. Mit dieser Aufgabe der Erdvermessung schafft sie neben zahlreichen Forschungsvorhaben auch den Anknüpfungspunkt des antarktischen Kontinents an den Internationalen Terrestrischen Referenzrahmen der Vermessung. Neben langen Messreihen zur Plattentektonik, Landhebung und Pegelmessungen dient die Infrastruktur der Station auch zur Unterstützung astronomischer Messungen. Über diese Aufgaben der Wettzeller Tochterstation berichtete am vergangenen Donnerstag Andreas Reinhold vom BKG Leipzig in seinem Vortrag "Vermessung im Kühlschrank - Das Geodätische Observatorium O'Higgins".

Der studierte Geodät Reinhold hat besonderes Interesse an den arktischen und antarktischen Gebieten gefunden. Er kann zahlreiche Aufenthalte auf der Georg-Forster-Station der damaligen DDR vorweisen. Auch zur Wende 1989 war er dort und verließ quasi Europa als Bürger der DDR und kam aus der Antarktis als Bürger des Vereinigten Deutschlands zurück. Aber auch eine selbst organisierte Grönlanddurchquerung auf Skiern gehört zu Reinholds Erfahrungsschatz. Warum er deshalb die Arbeit in O'Higgins nur als "Vermessung im Kühlschrank" bezeichnet, erklärt sich daraus, dass die dortige Station klimatisch eher mit Nordnorwegen vergleichbar ist. O'Higgins befindet sich nämlich auf der sogenannten Antarktischen Halbinsel und damit noch nördlich des südlichen Polarkreises, was das Klima noch einigermaßen erträglich macht.

O'Higgins kann mittlerweile auf eine lange Geschichte zurückblicken. Als erste Antarktisstation des Chilenischen Staates wurde sie vor über 50 Jahren als wissenschaftlich ausgerichtete Militärstation mit dem Namen des Staatsgründers, Bernardo O'Higgins, belegt. Im Jahre 1988 begann man dann aufgrund neuer Erdbeobachtungssatelliten, wie ERS-1, nach möglichen Orten für neuen Downlink-Stationen zu suchen. Die neuen Satelliten kreisten auf Bahnen über die Pole, so dass diese Gebiete bevorzugt wurden. Da die neue Station an die Infrastruktur einer bestehenden Station angegliedert werden sollte, kam man nach Umwegen auf die Station des chilenischen Militärs. Neben der Satellitenkommunikation kam auch die Erdvermessung mit Radioteleskopen als weitere Aufgabe hinzu, da bis dahin die Antarktis als einziger Kontinent nicht in das internationale Vermessungsnetz von Radioteleskopen eingebunden war. Hier kam das noch junge Wettzeller Observatorium ins Spiel. Unter Leitung von Clemens Nottarp wurde so der Grundstein zu einem geodätischen Observatorium in der Antarktis gelegt. Nach Erkundungsfahrten mit der Polarstern konnte zügig in nur knapp zwei Jahren die neue Containerstation errichtet werden.

Seitdem sind weitere Einrichtungen hinzugekommen. Nur die An- und Abreise ist immer noch beschwerlich. Von Punta Arenas in Südamerika aus geht es mit einer Herkules C-130 nach Base Frei auf King George Island und dann mit einer zweimotorigen Twin Otter DHC-6 auf den Gletscher nahe der Station. Sämtliche Lebensmittel müssen dabei selbst mitgebracht werden. In O'Higgins angekommen startet dann für etwa zwei Monate der Kampagnenbetrieb. Auf engstem Raum in den Containern werden die Messungen durchgeführt. Es wird gemeinsam gekocht und es wird gemeinsam am Ausbau der Technik gefeilt. Die Verbindung nach draußen ist eine Satelliteninternetverbindung. Für zwei Monate ist die kleine, etwa 200 mal 200 Meter große Insel, auf der die Station steht, Lebensmittelpunkt für die Besatzung. Dies ist besonders für die Mitarbeiter der DLR hart, seit ein Ganzjahresbetrieb realisiert wird und auch in den antarktischen Wintermonaten dort gearbeitet wird. Trotz all dieser Mühen entlohnen die Landschaft mit atemberaubenden Sonnenuntergängen und die von Eselspinguinen bei der Brut geprägte Tierwelt die Strapazen, die die Datengewinnung für die Erdvermessung verursachen.

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Dr. Alexander Schulze, 12. Mai 2011

Wir sind Holz – Gemeinsam für Wald und Holz

Wir sind Holz - Gemeinsam für Wald und Holz

nannte sich der Vortrag, den der Förderverein Geodätisches Informationszentrum in Wettzell  im Rahmen des Internationalen Jahres der Wälder initiierte. Mit Dipl. Forstwirt Alexander Schulze vom Netzwerk Forst und Holz Bayerischer Wald konnte ein kompetenter und profunder Kenner der Materie als Referent gewonnen werden.

Eingangs stellte er die Organisation, deren strukturellen Aufbau und seine Funktion vor. Das Netzwerk Forst und Holz wird politisch von den Landkreisen  Cham, Regen, Freyung-Grafenau, Passau, Deggendorf und Straubing-Bogen  getragen und finanziell unterstützt. Die Geschäftsstelle mit ihm  als Geschäftsführer wurde im Landratsamt Regen eingerichtet. Herr Schulze fungiert als wirtschaftlich neutraler Vermittler, Berater und Organisator innerhalb der Branche, bis hin zur Landes- und Regionalpolitik. Das regionale "Netzwerk Forst und Holz Bayerischer Wald" ist Teil der landespolitischen "Cluster-Offensive Bayern"  und hier speziell des "Clusters Forst und Holz in Bayern".

Zu Beginn umriss der Referent die Aufgaben und Zielsetzungen der Organisation. Er bezeichnete den Wald- und Holzreichtum in der Region als grünes Gold, als wertvolle Rohdiamanten die behütet, aber auch  wirtschaftlich effektiv geerntet und veredelt werden sollten. Strategische Ziele des Netzwerkes sind die Steigerung von regionale Wertschöpfungsketten mit nachhaltiger Holzverwendung. Das sind für ihn auch Voraussetzungen für den Wald- und Klimaschutz oder anders gesagt Waldnutzung ist gleich Waldschutz.

Der Bayerische Wald mit dem benachbarten Böhmerwald stellt die größte zusammenhängende Waldfläche Mitteleuropas dar. Auf 6.000 Quadratkilometer leistet dieser Wald einen einzigartigen Beitrag für die Artenvielfalt. Er ist Lebensraum für 14.000 Tier- und 6.000 Pflanzenarten. Trotz Bewirtschaftung sind in den letzten 30 Jahren die Waldflächen um 15.000 Hektar gewachsen. In jeder Minute binden diese  Wälder 8 Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids. Nirgendwo in Europa steht mehr Holz pro Quadratmeter Fläche als im Bayerischen Wald.

Wald und Waldwirtschaft haben in Ostbayern seit jeher eine enge Verbindung und sind ein traditioneller Wirtschaftszweig. Jährlich werden hier ca. 3 Millionen Festmeter Holz  eingeschlagen. Der Umsatz aus der Holzwirtschaft beträgt jährlich ca. 1,8 Milliarden Euro. Holz schafft auch Arbeit. In der Bayerwaldregion sind 65.000 Menschen in  der Holzbranche tätig, leben davon. Volkswirtschaftlich gesehen ist Wald und Holz ein starker, meist unterschätzter Wirtschaftsfaktor. Wirtschaftsstatistisch betrachtet liegt die Holzindustrie im bayerischen Landesvergleich an fünfter Stelle, z.B. noch vor der chemischen Industrie.
 
In einem leidenschaftlichen Plädoyer warb Herr Schulze im Verlauf seines Vortrages für die Nutzung von Holz. Die Stärken des Materials und seine Verwendungsmöglichkeiten stellte er in mehreren thematischen Schlaglichtern vor.

Holz ist dauerhaft: Das älteste Holzgebäude der Region, ein Kleinbauernhaus von 1436, wird momentan renoviert und steht in Mitterfels. Viele historische, scheinbar solide Massivbauten gibt es nur noch wegen ihrer speziellen Holzfundamente. Als Bespiel hierfür zeigte er das "Alte Museum" in Berlin, das ohne die 1824 errichtete Holzpfahlgründung schon längst im Märkischen Sand versunken wäre. Auch moderne Holzgebäude, sorgfältig konstruiert und gebaut, sind nicht nur energetisch überlegen, sondern auch dauerhaft. Zudem dienen sie als CO2 - Speicher. In einem Holzhaus etwa stecken bis zu 80 Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid.

Holz ist modern: Das Argument der Holzskeptiker, Holz sei ein konservativer Werkstoff, ließ er nicht gelten. "Modern" ist eine Frage der Gestaltung, des Entwurfes und nicht des Materials. Holzfassaden müssen nicht unbedingt grau sein und vergraute Fassaden müssen nicht öde sein. Mit den gezeigten Architekturbeispiele konnte er das anschaulich belegen.

Holz ist gesund: Der Referent stellte eine wissenschaftliche Studie aus Österreich vor. Grundlage waren Vergleichsuntersuchungen von Schulklassen, die in konventionellen Schulgebäuden unterrichtet wurden, mit Klassen in Massivholzgebäuden. Die Langzeituntersuchung belegte, dass die Herzfrequenzen der Schüler aus den Massivholzklassen im Durchschnitt deutlich niedriger waren.

Holz ist Energie: Die Holzverfeuerung ist ein Beitrag zum Klimaschutz. Holz verbrennt CO2 neutral, d.h. die gleiche Menge Kohlendioxid, die von der Pflanze im Laufe des Wachstums aus der Luft gebunden wird, setzt die Verbrennung wieder frei. Mit einem einfachen Beispiel belegte er den enormen Energiegehalt des Materials: 2,5 kg Holz temperieren 400 l Wasser auf Duschtemperatur. Die Preisentwicklung der letzten Jahre verlief beim Brennstoff Holz im Vergleich zu fossilen Energieträgern (z.B. Öl) relativ moderat.

Holz wehrt sich: Holz und Brandgefahr waren ein weiterer Themenbereich des Referenten. Im Brandfall zeigt Holz ebenfalls hervorragende Eigenschaften. Je Minute verbrennt weniger als 1 mm eines Balkenquerschnittes. Tragende Teile z.B. von Gebäuden erfüllen damit vielfältige Brandschutzanforderungen. Das Materialverhalten von Stahl ist diesbezüglich viel problematischer.

Holz hat Zukunft: Wald und Holz haben einen positiven, angenehmen Einfluss auf das Wohlbefinden des Menschen im Alltag. Mit Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung kann zudem eine regionale Stoffkreislaufwirtschaft mit hervorragender Umweltbilanz umgesetzt werden. Wälder sind innerhalb der Ökosysteme ein wesentlicher Faktor; beeinflussen z.B. den Wasserhaushalt entscheidend.

Im Anschluss an den gut besuchten Vortrag entstand noch eine rege Diskussion, bevor der GIZ - Vorstand Dr. Thomas Klügel allen für ihr Interesse und Kommen dankte und dem Netzwerkmanager Alexander Schulze abschließend ein Vereinspräsent übereichte.

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Bernhard Römmelt, 14. April 2011

Arktis - Schatzkammer des Nordens

Eine dem Untergang geweihte Welt nördlich des Polarkreises
GIZ-Bildervortrag über die fragilen Schönheiten der Arktis-Region und ihre Zerstörung

Häufig wird sie als Schatzkammer des Nordens bezeichnet und umfasst dennoch eines der wohl unwirtlichsten Gebiete der Welt. Sie beherbergt eine schier unvorstellbare Fülle und Vielfalt an Tieren und weist trotzdem Tiefsttemperaturen von bis zu fast minus 80 Grad Celsius auf. Sie ist faszinierend schön und kann doch schnell zur tödlichen Gefahr werden, was schon viele Expeditionen erleben mussten. Sie ist nahezu menschenleer und bildet doch die Lebensgrundlage für zahlreiche Inuit-Stämme, die Ureinwohner dort. Sie ist von nahezu unbezwingbarem Eis bedeckt und steht trotzdem kurz vor der immer schneller werdenden Zerstörung. Als Antrieb für Meeresströmungen ist sie ein wesentlicher Einflussfaktor für das Erdklima und wird dennoch von diesem immer mehr bedroht. Die Rede ist von der Arktis, einer Region, die offiziell das Gebiet nördlich der Breite von 66 Grad 30 Minuten umfasst.

Gerade dieses Gebiet hat es dem Profifotografen Bernhard Römmelt angetan. Für ihn bildet die Region nördlich des Polarkreises einen unermesslichen Schatz an unvorstellbaren Fotomotiven. Einen kleinen Einblick in diesen Reichtum gewährte er deshalb am vergangenen Dienstag in seiner multimedialen Fotodokumentation "Arktis - Schatzkammer des Nordens" im Haus des Gastes in Bad Kötzting. Der von der BBC ausgezeichnete Fotograf, der häufig auch für Greenpeace arbeitet, scheut dabei auch nicht davor zurück, die Schattenseiten des menschlichen Einflusses dort zu dokumentieren.

Trotzdem überzeugte Römmelts Vortrag in erster Linie durch atemberaubend schöne, von der Natur perfekt arrangierte und vom Fotografen gekonnt festgehaltene Bildkompositionen. Dabei nahm er die Zuhörer mit auf eine Reise in die Arktis-Anrainerstaaten von Alaska, Kanada, über Grönland und Island bis hin nach Spitzbergen und Finnland. Heute wird das Gebiet der Arktis meist aufgrund der sogenannten 10 Grad Celsius Isotherme definiert. Sie schließt ein Gebiet ein, bei der die durchschnittliche Temperatur im wärmsten Monat nicht über 10 Grad Celsius beträgt. Es umfasst die Tundraregionen mit dem Permafrostboden ebenso wie die frei schwimmenden Packeisfelder im Nordpolarmeer.

So ging die Bilderreise auch von farbenfrohen Herbstimpressionen der Alaska-Tundra im Denali Nationalpark mit dem sich im Wonder Lake spiegelnden Mount McKinley schnell über in die schnee- und eisbestimmten Landschaften der Nordregionen. Gespickt von zahlreichen Begegnungen mit wilden Tieren, vom 900 kg schweren Elchbullen mit seinen bis 30 kg schweren Geweihen über Schneehühner und Schneeschuhhasen bis hin zu Wolf und Grizzlybär, zeigte sich eindrucksvoll die Artenvielfalt dort. Schnell wurden aber auch die menschlichen Sünden und Eingriffe erkennbar. In Fairbanks schlängelt sich die Trans-Alaska-Ölpipeline von der Prudhoe Bay über 1300 Kilometer nach Valdez. Entlang der Pipeline donnern riesige Trucks auf dem James W. Dalton Highway, um die ölfördernden Firmen im Norden mit dem Nötigsten zu versorgen. Noch schwieriger zu bewältigen ist nur noch die Iceroad über das Polarmeer bei Inuvik.

Immer wieder wechselten sich bildliche Dokumente von menschlichem Handeln mit Naturschönheiten ab. So zeigten sich Weißkopfseeadler in Homer (Alaska) oder Eisbären auf den Packeisfeldern bei Pond Inlet (Kanada). Eine europäische Braunbärin versorgte vier Junge in Nordfinnland und Papageientaucher zeigten sich als Clowns der Lüfte  in Island. Während man über Hydrophone die Geräusche der Narwale aufnahm, tauchten die majestätischen Elfenbeinstoßzähne der Tiere auch schon aus dem Wasser auf. Die Tiere dienen den Inuit als Nahrungsgrundlage. Diese jagen sie in Eisbären- und Robbenfell gekleidet mit modernen Waffen, was dazu führt, dass viele Tiere zu früh geschossen werden und ungenutzt im Meer versinken.

Wesentlich schlimmer sind aber die Auswirkungen, die man dem mit großer Wahrscheinlichkeit vom Menschen verursachten Klimawandel zuschreibt. Die Ausdehnung des Packeises ist deutlich gesunken. Während große Teile Nordrusslands 1979 noch direkt an den Packeisfeldern lagen, befinden sich diese Gebiete nach Studien von 2007 heute rund 300 Kilometer entfernt. Ganze Arktisgebiete zeigen wesentlich erhöhte Temperaturen, teilweise um bis zu 40 Grad zu warm. Der Permafrostboden taut auf.  Nach neuesten Forschungsergebnissen aus der Satellitengravimetrie (Schweremessungen durch Satelliten) , vorgestellt am European Geosciences Union General Assembly in Wien vor knapp einer Woche, zeigt sich zum Beispiel im von 90 Prozent eisbedecktem Grönland ein jährlicher Massenverlust von 200 Milliarden  Tonnen. Würde das gesamte Eis dort schmelzen, stiege der gesamte Meeresspiegel um sieben Meter an. Dabei ist unklar, inwieweit sich dies noch aufhalten lässt. Diese in der Arktis besonders dramatische Entwicklung führt dazu, dass der Lebensraum Arktis mit seiner einzigartigen Flora und Fauna in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein wird, so Römmelt.


Dr. Bernd Richter, 17. März 2011

Warum gibt es Schaltsekunden? – Aufgaben des Internationalen Erdrotationsdienstes

Die Erdrotation als Verbindung von „Himmel“ und „Erde“
GIZ-Vortrag zum Thema Erdrotation und Schaltsekunden

 

Seit jeher bestimmt der Wechsel von Tag und Nacht das Leben und Wirken der Menschen. Ursache für diesen Wechsel ist die Rotation der Erde. Diese Drehung bildete lange Zeit die Basis für die Zeithaltung und war damit die genaueste, durch astronomische Beobachtungen nutzbare Uhr der Welt. Heutzutage basiert die Zeit auf einer Definition einer Sekunde, die als das 9192631770-fache der Periodendauer eines Übergang zwischen zwei Hyperfeinstrukturniveaus eines Cäsium-Atoms definiert ist. Doch zwischen der astronomischen Zeit und der Atomzeit klafft regelmäßig eine Differenz, die mittels Schaltsekunden ausgeglichen werden muss. Doch nicht nur dafür ist es wichtig, die Erdrotation genauestens zu beobachten. Auch Raketenstarts und der Betrieb von Satelliten fordern das Wissen über die Rotationsdauer der Erde auf 0,1 Millisekunden genau. Über alle diese Aspekte berichtete am vergangenen Donnerstag Dr. Bernd Richter, Direktor des Zentralbüros des Internationalen Erdrotations- und Referenzsystem-Services (IERS) am Bundesamt für Kartographie und Geodäsie Frankfurt. Thema des Abends war „Warum gibt es Schaltsekunden? - Aufgaben des Internationalen Erdrotationsdienstes“.


Erdrotationsforschung. Erst kürzlich war im Rahmen des Japan-Erdbebens eine Änderung der Erdrotation durch das Beben in aller Munde. Dabei kann aus den Daten des IERS keine markante Änderung dieser Art festgestellt werden, wie Dr. Richter versicherte. Auch dass der Fall des Laubes im Herbst die Erdrotation beschleunigt, ist nur eine Mär. In Wirklichkeit ist die Rotation im Winter nämlich langsamer. Trotz all dieser Binsenweisheiten hat die Rotation der Erde erhebliche Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Nicht nur, dass sie Tag und Nacht definiert, auch Satellitenmissionen wären ohne genaue Kenntnis der Erdrotationsparameter nicht möglich. Die Erdrotation dient nämlich zur Verbindung einer Himmelsreferenz mit einer terrestrischen Referenz und damit
als Anknüpfungspunkt der „Koordinatensysteme“.

 

Schon von jeher definierte die Erdrotation jedoch die Kalender. Durch Beobachtungen kann so ein tropisches Jahr mit 365,2421896698 Tagen und ein synodischer Monat anhand von Mondbeobachtungen mit 29,5305888531 Tagen ermittelt werden. Dies war schon früh, wenn auch nicht mit dieser Genauigkeit, Ausgangspunkt für die Aufstellung von Sonnen-, Mond- und Lunisolarkalendern. Unser heutiger Gregorianischer Kalender wurde so auch als Sonnenkalender von Papst Gregor XIII im Jahre 1582 eingeführt. Um die Mängel des früheren Julianischen Kalenders auszugleichen, verbesserte man dabei die Berechnung der Schaltjahre. Bei der Einführung war es notwendig, dass im Jahr 1582 nach dem 4. Oktober (einem Donnerstag) Freitag der 15. Oktober folgte. Seit dieser Umstellung leben wir aber ohne weitere Änderungen nach diesem Kalender.


Auch in der frühen Seefahrt spielte die Erdrotation eine entscheidende Rolle. Die geographische Länge konnte lange nur mittels astronomischer Beobachtungen ermittelt werden, bei denen durch die Rotation verursachte Winkelverschiebungen in den Beobachtungen je Beobachtungsstandort in Längenangaben umgerechnet wurden. Dazu wurde der Winkel zwischen Mond und Sternen bzw. der Sonne ermittelt und über Winkelbücher zu einer Längenangabe ausgewertet. Ausgangslänge für die Berechnungen war der Nullmeridian durch Greenwich in England. Ähnlich verfuhr auch Galileo bei der Beobachtung der Jupitermonde. Erst genauere Uhren, im Rahmen eines in England ausgeschriebenen Preises, dem Longitude Act von 1714 entwickelt, erlaubten über die genaue Uhrzeit eine bis dato in der Schifffahrt nicht mögliche Positionsbestimmung zu erzielen.


Heutzutage lässt sich die Uhrzeit mit mehr als 12 Nachkommastellen genau über die Atomuhren bestimmen. Trotzdem ist die auf der Erdrotation basierende Zeitskala UT1 weiterhin für die Astronomie von Bedeutung. Aufgrund der langsamer werdenden Erddrehung weicht aber UT1 nicht vorhersagbar von der Atomzeit ab, so dass die Atomzeit in der sogenannten koordinierten Universalzeit UTC mittels Schaltsekunden korrigiert wird. Der permanenten Verlangsamung überlagert sind dann noch zahlreiche saisonale, tägliche und subtägliche Veränderungen aufgrund globaler Massenverlagerungen. Zur Bestimmung all dieser Effekte sind permanente Beobachtung der Erdrotation nötig, die im IERS zusammenlaufen und mittels sogenannter Bulletins öffentlich zugänglich sind. So konnte neben zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen auch der jemals gemessene längste Tag im Jahr 1912 und der kürzeste am 13. Juli 2003 registriert werden.

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