Sichtbare Folgen des Klimawandels im Nationalpark Bayerischer Wald.


Der Wald im Wandel
Vortrag über Klimafolgen im Bayerischen Wald


Wer jetzt im März den Eindruck hatte, es sei Aprilwetter, hat gar nicht Unrecht. Das Ende des Winters setzt immer früher ein, wodurch sich auch die über Jahrhunderte an bestimmte Jahreszeiten gebundene Wetterphänomene verschieben. Die im Nationalpark Bayerischer Wald seit über 40 Jahren durchgeführten Messungen von Temperatur, Niederschlag, Abflussmengen und Beobachtungen von Entwicklungen der Tier- und Pflanzenweld belegen diesen Trend auf eindrucksvolle Weise. Dass dies eine Folge des weltweiten Klimawandels darstellt, steht für Wissenschaftler außer Frage, sind doch die Zusammenhänge zwischen der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre und der mittleren globalen Temperatur evident und auch die Prozesse dahinter verstanden. Dass diese Entwicklung von vielen Mitbürgern mit Sorge verfolgt wird, zeigt das große Interesse an dem Vortrag über Klimafolgen im Bayerischen Wald, der am vergangenen Donnerstag von Dr. Claus Bässler vom Nationalpark Bayerischer Wald am geodätischen Observatorium in Wettzell gehalten wurde.

Der promovierte Biologe und Ökologe kümmert sich in einem Team von Wissenschaftlern vor allem um die Bereiche Biodiversität und Klimawandel im Nationalpark. Denn der Klimawandel hat einen sehr vielschichtigen Einfluss auf Lebewesen. Den einzelnen Organismus mit genetischen und physiologischen Veränderungen über Lebensgemeinschaften und Populationen bis hin zu ganzen Ökosystemen vermag der Klimawandel zu beeinflussen. Dabei sind verschiedene Ökosysteme unterschiedlich anfällig. Während tropische Regenwälder und Wüsten relativ resistent sind, zeigen vor allem Tundrengebiete und die Wälder der mittleren bis höheren Breiten und in Gebirgsregionen die höchste Anfälligkeit gegenüber Klimaveränderungen. Bässler zeigte anhand des sehr empfindlichen Ökosystems Korallenriff, wie ein einziges Temperarturereignis das ganze Ökosystem irreversibel zum Kippen bringt und der Lebensraum dann von Algen statt von Korallen besetzt wird.

Dementsprechend wirkt sich der Klimawandel im Bayerischen Wald bereits deutlich aus. Gerade im Monat April ist die mittlere monatliche Temperatur in den letzte 45 Jahren um 4°C gestiegen - ein dramatischer Wert angesichts der Tatsache, dass einige Lebewesen schon auf wenige Zehntel Grad reagieren. Als unmittelbare Konsequenz findet die Schneeschmelze früher statt, wodurch auch die Grundwasserneubildung früher erfolgt. Aus der überproportionalen Erwärmung von Mai bis August resultiert eine stärkere Verdunstung von Wasser, weniger Sickerwasser und dementsprechend geringere Grundwasserneubildung, so dass im Spätsommer größere Trockenheit herrscht. Eine frühere Laubverfärbung ist die Folge. Währen die jährlichen Niederschläge im Mittel kostant blieben, hat sich die Verteilung über das Jahr verändert: Es gibt mehr Niederschläge im Sommer und weniger im Winter.

In sogenannten phänologischen Gärten werden verschiedene Pflanzenarten in ihrer jahreszeitlichen Entwicklung beobachtet. Auch hier geht der Trend eindeutig in Richtung früherer Blüte, und zwar je nach Art um bis zu 1 Monat. Das hat Auswirkungen auf ganze Lebensgemeinschaften. Am Beispiel der Meise zeigt Bässler, wie kritisch es für die Jungvögel werden kann, wenn Raupen, die an bestimmte Pflanzenarten gebunden sind, zu einer bestimmten Zeit nicht verfügbar sind, weil diese Pflanzen zeitlich anders auf den Klimawandel reagieren als z.B. die Vögel. Dieser sogenannte Mismatch ist bislang wenig erforscht, kann aber ganze Ökosysteme durcheinander bringen.

Neben der Biodiversität kann aber auch die genetische Vielfalt einzelner Arten abnehmen. So ist z.B. die an die hochmontanen Bedingungen angepasste Glasschnecke in einigen mitteleuropäischen Bergregionen in isolierten und genetisch unterschiedlichen Vorkommen zu finden. Bei höheren Temperaturen wandert die Schnecke in höhere Regionen aus und wird z.B. im Bayerischen Wald dann ganz aussterben und damit die Gesamtpopulation genetisch verarmen.

Dr. Bässler beendete seine Ausführungen mit dem Hinweis, dass die klimabedingte und damit vom Menschen verursachte Abnahme der Biodiversität nicht nur eine ethisch-moralische Frage ist, sonder auch handfeste wirtschaftliche Auswirkungen haben wird. Denn zahlreiche Lebewesen tragen als kostenlose Ökosystemdienstleister zum Funktionieren wichtiger Prozesse bei, nicht nur z.B. Insekten durch Bestäubung, viele Kleinlebewesen nehmen auch in biogeochemischen Kreisläufen, die die Grundlage der Lebensmittel- und Wasserversorgung bilden, eine zentrale Rolle ein. Die Forscher des Nationalparks leisten jedenfalls ihren Beitrag, um aus dem komplexen Geflecht der Wechselbeziehungen etwas über die Klimafolgen zu lernen. "Wir brauchen Forschung vor Ort, um gesicherte Aussagen über Veränderungen treffen zu können", so Bässler. Und wenn es das nächste Mal im Februar wieder so warm ist, sollte man seinen Latte Macchiato im Freien vielleicht mit etwas Nachdenklichkeit genießen.


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