Die Bestimmung des Meeresspiegelbeitrags von Grönland und Antarktika

Arktischen und antarktischen Eisschilden beim Schmelzen zusehen
GIZ-Vortrag über Meeresspiegeländerungen durch Grönland- und Antarktis-Eis

Dass der Klimawandel zu einem Anstieg des Meeresspiegels führt ist unter Wissenschaftlern unbestritten. Dazu berichtet das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dass in den letzten hundert Jahren ein Ansteigen um etwa 19 Zentimeter zu verzeichnen ist. Durch die seit den frühen 1990er Jahren vorliegenden Satellitendaten ergibt sich ein zunehmender Trend, der in den letzten 20 Jahren 3,2 Millimeter pro Jahr beträgt. Wissenschaftlich stellt sich die Frage, welche Faktoren zu diesem Anstieg beitragen. Neben der thermischen Expansion, also dem Ausdehnen der Wassermassen durch Erwärmung, was etwa 40 % des Meeresspiegelanstiegs ausmacht, sind es das Abschmelzen der Gletscher und Eisschilde in Grönland und der Antarktis, sowie das abfließende und ursprünglich auf den Kontinenten gespeicherte Wasser z.B. durch übermäßige Grundwasserentnahme. Vorhersagen über die zukünftige Entwicklung der Meeresspiegelzunahme sind dabei durch das unvollständige Verständnis der Eisschilddynamik mit großen Unsicherheiten behaftet. Wie man diese Unsicherheiten durch moderne, geodätische Messverfahren und geophysikalische Modelle verringern kann, zeigte am vergangenen Donnerstag Prof. Martin Horwarth von der Technischen Universität Dresden in seinem Vortrag des Fördervereins Geodätisches Informationszentrum Wettzell mit dem Titel "Die Bestimmung des Meeresspiegelbeitrags von Grönland und Antarktika".

In den Eisschilden der Erde, die wie in der Antarktis bis zu 4800 Meter hoch sein und eine Ausdehnung von über 4000 Kilometer aufweisen können, sind riesige Wassermengen gespeichert, die beim völligen Abschmelzen den Meeresspiegel um 70 Meter ansteigen lassen würden. Während im Landesinneren dieser Schilde durch Schneefall neue Eismassen entstehen, wirkt dieser Schneeakkumulation der Eisfluss und die Ablation entgegen. Ablation bedeutet hierbei direkter Massenverlust an der Oberfläche des Eisschildes durch Verdunstung oder Schmelzen von Eis. Der Eisfluss hingegen wirkt durch das komplette Eisschild und lässt das Eis aus dem Inneren über Jahrhunderte hinweg zu den Rändern fließen, wo teilweise riesige Eisberge abkalben.

Diese Bilanzierung aus Zuwachs und Verlust von Eismassen wird Input-Output-Methode genannt. Die Nettoakkumulation durch neuen Schnee kann man dabei über Atmosphärenmodelle ermitteln, welche über am Boden gewonnene Daten kalibriert und bestätigt werden. Der Abfluss wird meist über Fernerkundungsdaten aus Satelliten ermittelt, wobei die Aufsetzlinie, wo der Inlandgletscher in das schwimmende Schelfeis übergeht, als Grenze gilt. Mit dieser Methode lassen sich vor allem in Grönland Bereiche feststellen, die große Eisverluste erleiden. Neusten Erkenntnissen zu Folge is dafür die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit verantwortlich, was zu dem Ungleichgewicht zwischen neu eingebrachter (Input) und über die Außengrenze abgeflossener Eismasse (Output) kommt.  Daneben gibt es auch eine rein geometrische Analyse anhand von Höhendaten aus der Radar-Altimetrie. Dabei misst ein Satellit mittels Radar den Abstand zum Boden. Ist die Satellitenbahn hinreichend genau bekannt, kann auf geometrische Höhenveränderungen geschlossen werden. Da Änderungen der Eismassen zudem eine Veränderung des Gravitationsfeldes hervorrufen, können spezielle Schwerefeldsatelliten wie die deutsch-amerikanische GRACE-Mission Massenänderungen quantifizieren. Dabei wurde der Abstand zweier niedrig fliegender Satelliten über ihr Mikrowellen-Entfernungsmesssystem mit Mikrometer Genauigkeit vermessen. Diese Abstandsmessung lässt Rückschlüsse auf Schwerefeldunterschiede zu, da die Satelliten durch ihren Abstand beim Überfliegen zeitlich unterschiedlich von der Erdgravitation angezogen werden. Alle drei Verfahren lieferten dabei ähnliche Ergebnisse, an welchen Stellen die Eisschilde sich verändern. Beispielsweise verliert Grönland im Durchschnitt 300 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr überwiegend am Rand des Kontinents. Auch wird klar ersichtlich, dass die Fließgeschwindigkeit im Amundsensee-Sektor der Antarktis erheblich zugenommen hat, womit große Massenverluste verbunden sind. An anderen Stellen wie in der Ostantarktis findet hingegen ein Massenzuwachs wegen größerer Niederschlagsmengen statt - auch eine Folge des Klimawandels. In der Summe wird abgeschätzt, dass Grönland mit 23 Prozent und die Antarktis mit 9 Prozent zum Meeresspiegelanstieg beitragen.

Die Schätzungen der Massenbilanz sind jedoch mit erheblichen Streuungen behaftet. Auch systematische Ungenauigkeiten in den Daten der Satellitenaltimetrie können einen erheblichen Fehlerbeitrag liefern, so dass unterschiedliche Studien dieselben Daten teilweise unterschiedlich interpretieren, wenn Langezeittrends entwickelt werden sollen. Einen Aufschluss kann hier nur die Kombination von verschiedenen geodätischen Verfahren aus Schwerefeldmissionen, Altimetriemissionen und GPS-Messungen liefern, da dadurch die verschiedener Einflussfaktoren zugeordnet werden können. Hierbei spielt auch das Geodätische Observatorium Wettzell eine tragende Rolle, da mittels der dort installierten Messsysteme auch die Bahndaten der Satelliten und das Massenzentrum der Erde, das durch globale Umverteilung von Wasser verschoben wird, bestimmt werden. Somit kann man dank Wettzeller Messungen die Schmelzprozesse der arktischen und antarktischen Eisschilde besser beobachten und verstehen.

Download
Werbeplakat
GIZ_Eisschilde_A3.pdf
Adobe Acrobat Dokument 117.9 KB