Baumjahrringe als Umwelt- und Klimaarchiv der letzten 15.000 Jahre


Jahresringe von Bäumen als Klima- und Umweltarchiv

An einem gefällten Baum hat wohl jeder schon einmal das Alter des Baumes anhand der Jahresringe abgezählt. Doch wie kann man Umwelt- und Klimabedingungen daraus rekonstruieren? Hierüber referierte am 11. Mai in Wettzell der Geologe Dr. Gerhard Helle vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam in seinem Vortrag über Dendrochronologie und setzt damit die Vortragsreihe des Fördervereins GIZ zum Klimawandel fort.

Dendrochronologie ist die Wissenschaft der Untersuchung von Baumjahresringen, um sowohl das Alter der Pflanzen zu ermitteln wie auch detaillierte Erkenntnisse über die Umweltbedingungen zu gewinnen, denen der Baum im Laufe seines Lebens ausgesetzt war. Bäume sind laut Dr. Helle nicht nur faszinierende Lebewesen und wesentlicher Bestandteil der Landschaft, sie dienen der Wissenschaft auch als Umwelt- und Klimaarchiv der letzten 15.000 Jahre.

Bäume verarbeiten Kohlenstoffdioxid aus der Luft und Wasser aus dem Boden zu Holz. Je nach Umweltbedingungen wird im Sommer stärker Holz aufgebaut, während das Wachstum im Winter praktisch zum Erliegen kommt – dadurch entstehen die Jahrringe des Baumes. Doch auch Trockenheit kann das Wachstum von Bäumen stark abbremsen, so dass Bäume in tropischen Regionen durch den Wechsel von Regen- und Trockenzeiten meist ebenso Jahresringe ausbilden.

Aus Breite und Beschaffenheit der Jahrringe können bereits Rückschlüsse auf das lokale bzw. regionale Klima jedes Lebensjahres eines Baumes gezogen werden. Dazu werden dem Holz zumeist Bohrkerne von der Rinde bis zum Kern entnommen, damit der Baum nicht gefällt werden muss. Doch wird nicht nur das Holz lebender Bäume untersucht, sondern auch von alten Gebäuden oder archäologischen Funden. Vergleicht man ausreichend viele dieser Proben aus einer Region und am besten derselben Baumart, ergibt sich eine typische chronologische Abfolge von Jahrringen. So gibt der sogenannte „Hohenheimer Jahrringkalender“ lückenlose Auskunft über die Wachstumsverhältnisse im süddeutschen Raum seit ca. 12.500 Jahren.

Noch genauere Informationen bieten die Jahresringe der Bäume, wenn man nicht nur deren Breite vermisst, sondern auch ihre exakte chemische Zusammensetzung betrachtet. Das Spezialgebiet des Referenten Dr. Helle ist die Isotopenanalyse der einzelnen Jahrringe. Isotope sind verschiedene Varianten des gleichen chemischen Elementes, die sich geringfügig durch die Anzahl ihrer Kernbausteine unterscheiden. Bei der Analyse untersucht Helle das Verhältnis zwischen gewöhnlichen Kohlenstoffatomen mit zwölf (C12) und den deutlich selteneren Kohlenstoffatomen mit 13 Kernbausteinen C13. Pflanzen bevorzugen es C12-Atome in ihre Zellen einzubauen. Können die Blätter bzw. Nadeln durch ihre Spaltöffnungen Luft und somit CO2 austauschen, steht den Bäumen stets genügend „frischer“ Kohlenstoff zur Verfügung, um selektiv C12 zu verarbeiten. Ist es jedoch sehr trocken, schließen sich die Spaltöffnungen, damit der Baum nicht austrocknet. Dies führt dazu, dass die Pflanzen vermehrt auch C13 für ihre Zellen verwenden müssen und somit in den entsprechenden Jahresringen einlagern.

Durch Forschungen an unterschiedlichen Standorten in Europa lässt sich ein Netz aufbauen, so dass die klimatischen Bedingungen in den verschiedenen Regionen des Kontinents über lange Zeiträume hinweg in ihrer Dynamik dargestellt werden können. Beispielsweise zeigen die Untersuchungsergebnisse, dass in Mitteleuropa Dürren von Mitte des 17. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert relativ häufig waren, während sie bis ca. 1950 etwas seltener vorkamen. Seither nehmen sie in Häufigkeit und Intensität wieder stark zu, allerdings in der Fläche deutlich größer als in den Jahrhunderten zuvor.

Doch nicht nur das lokale Klima, sondern auch Verschmutzungen der Umwelt können durch Messungen der Isotopen sichtbar werden. Wie Helle anhand von Diagrammen erklärte, kann z.B. in Bäumen Ostdeutschlands deutlich eine Reduzierung der Umweltbelastung nachgewiesen werden, die durch die Abschaltung vieler schmutziger Braunkohlekraftwerke in den 1990er Jahren erfolgte. Damit steht den Forschenden ein wichtiges Instrument zur Verfügung, um Klima- und Umweltveränderungen der Vergangenheit zu rekonstruieren.

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