Bäume im Klimastress! Wie sieht der Wald von morgen aus?


Bäume im Klimastress

Wie sieht unser Wald in Zukunft aus?

Seit Jahren haben unsere Wälder immer stärker mit hohen Temperaturen, längeren Phasen der Trockenheit und deren Folgen zu kämpfen. Ein Blick in die heimischen Wälder im Sommer genügt um festzustellen: unsere Wälder sind nicht im besten Zustand. Zu den Schäden durch Hitze und Trockenheit kommt noch der Befall durch den Buchdrucker – dem Borkenkäfer, der Waldbesitzern und Förstern das Leben schwer macht. Ereignet sich dann noch ein schwerer Sturm, wie z.B. 2007 der berüchtigte Orkan Kyrill, können die Schäden in den ohnehin geschwächten Forsten schlagartig in die Zigmillionen gehen. Doch wie soll unser Wald erst in einigen Jahrzehnten aussehen, wenn der rapide Umbruch des Klimas weiter fortgeschritten ist, die Temperaturen noch höher, die Perioden der Trockenheit noch länger und Extremwetterereignisse immer häufiger sind? Dazu gab Dr. Arthur Bauer, Bereichsleiter Forsten der Forstverwaltung des Landkreises Cham, in einem öffentlichen Vortrag am 20. April im Sitzungssaal des geodätischen Observatoriums Wettzell Auskunft.

Vorneweg stellte Dr. Bauer klar, dass niemand mit abschließender Gewissheit sagen könne, wie der Wald am Ende des Jahrhunderts beschaffen sein wird. Dies wird in letzter Konsequenz davon abhängen, inwieweit es der Weltgemeinschaft gelingt, den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen. Dennoch gibt es schon Wissen darüber, welche Baumarten im Wald der Zukunft kaum noch eine Rolle spielen werden, welche Baumarten voraussichtlich auch mit dem künftigen bayerischen Klima zurechtkommen, und welches Vorgehen für Waldbauern und Förster in den kommenden Jahren die besten Erfolgsaussichten bietet.

Zunächst muss dafür die Zusammensetzung und der Zustand des jetzigen Waldes betrachtet werden. Die natürliche regionale Waldzusammensetzung entspricht in den meisten Teilen Bayerns Buchen- bzw. Buchen-Tannenwäldern mit vereinzelten Eichenwald- und Edellaubwaldgebieten. Im Alpenbereich und dem Bayerischen Wald sind Bergmischwälder die natürlichen Waldtypen. Doch bereits vor und während des zweiten Weltkrieges fand eine starke Übernutzung des Waldes statt und in den Kriegsfolgejahren musste ein Teil der Reparationen in Form von Holz geleistet werden. Um den immensen Bedarf an Brenn- und Bauholz decken zu können, wurde in dieser Zeit in hohem Maße auf Fichte und Kiefer bei der Wiederaufforstung durch Trümmerfrauen gesetzt – die alte 50 Pfennig Münze erinnert daran. Dies ist bei der Zusammensetzung von Wäldern der entsprechenden Altersklassen auch noch heute deutlich sichtbar.

Die Fichte ist vor allem in nördlichen Regionen wie Skandinavien und Sibirien sowie hohen Berglagen heimisch. Daher waren die Temperatur und Witterung Bayerns bereits bisher am oberen Rand des Bereichs, in dem sich Fichten wohl fühlen. Durch die künftige Klimaänderung wird die Fichte in den meisten Regionen Bayerns nicht mehr die nötigen Voraussetzungen vorfinden, um gedeihen zu können. Die Prognosen legen nahe, dass im Jahr 2100 im Landkreis Cham nur noch die Höhenlagen am Hohen Bogen und Lamer Winkel Bedingungen bieten werden, die für Fichten dauerhaft verträglich sind. Besser sind die Aussichten für die Weißtanne. Diese wird in 80 Jahren vermutlich noch auf den meisten Bergen im Landkreis wachsen können. Lediglich in den Talbereichen und im westlichen Landkreis ist das Risiko erhöht, dass sich die Weißtanne nicht halten kann. Die Kiefer hat zwar im kommenden Jahrhundert in einigen Teilen Bayerns schlechtere Aussichten, im Landkreis Cham werden die Bedingungen jedoch voraussichtlich günstig bleiben. Kaum Probleme werden wohl Rotbuche und Stieleiche haben, die auch zukünftig ähnlich gut, wenn nicht gar besser, im Bayerwald gedeihen sollten.

Insgesamt werden bayerische Waldbesitzer in Zukunft vermehrt mit Schäden durch Trockenheit und Schädlingen zu kämpfen haben. Der Borkenkäfer liebt hohe Temperaturen. Laborexperimente zeigen, dass er bei einer Temperaturerhöhung von 15°C auf 30°C seine Reproduktionszeit von rund drei Monaten auf nur 28 Tage senken kann. Wird der Sommer länger und wärmer, wird die Ausbreitung des Borkenkäfers immer rasanter und unkontrollierbarer. Aber auch andere Schädlinge, wie die Mistel, der Prachtkäfer und die Rußrindenkrankheit – ein Pilz – werden Gewinner des neuen Klimas sein. Und nicht zuletzt auch die Hitze und Trockenheit selbst werden Auswirkungen haben. So konnten in Teilen Bayerns seit 2018 sogar Trockenschäden bei der heimischen Buche beobachtet werden.

Die einzige Möglichkeit für Forstwirte, ihre finanziellen Schäden zu begrenzen, wird daher ein Umbau des Nutzwaldes sein. So müssen die gefährdeten Reinbestände – insbesondere Fichtenwälder – möglichst bald in artenreichere und klimatolerantere Mischbestände umgewandelt werden. Als Faustregel gilt dabei frühzeitig zu verjüngen, wenigstens vier verschiedene Baumarten zu beteiligen und neben der führenden Baumart auch Nebenbaumarten zu fördern oder sogar gelegentlich alternative Arten einzubringen. Bewährte Baumarten dafür sind z.B. Buche, Tanne oder Eiche – möglicherweise auch anders, als bisher praktiziert, mit Setzlingen aus etwas wärmeren Regionen Mitteleuropas, so dass diese bereits etwas besser an die künftige Witterung unserer Region angepasst sind. Als Nebenbaumarten bieten sich z.B. Elsbeere, Speierling, Feldahorn oder Vogelkirsche an. Wer sich an bisher noch eher unkonventionelle Arten heranwagen möchte, kann es laut Dr. Bauer auch mit Rot- oder Zerreiche, Edelkastanie, Douglasie oder der Atlaszeder versuchen. Diese werden voraussichtlich in den kommenden Jahrzehnten gut zu unserem regionalen Klima passen. Eine Beratung der Waldbesitzer zu Waldumbaumaßnahmen und deren finanzielle Förderung wird durch die bayerische Forstverwaltung angeboten.

All dies steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass es der Menschheit gelingt, den globalen Temperaturanstieg auf etwa 2 bis 2,5°C zu beschränken. Bleibt die Temperaturerhöhung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts unterhalb dieser Schranke, wird das Klima Ostbayerns in etwa dem des heutigen Rheinlandes entsprechen. Sollte der Temperaturanstieg jedoch in Richtung drei bis vier Grad gehen, so werden wir uns klimatisch eher im jetzigen Norditalien oder Kroatien befinden. Zu glauben, die Lösung sei dann einfach Bäume aus diesen südlichen Ländern anzupflanzen, ist jedoch ein Trugschluss. Trotz der durchschnittlich höheren Temperaturen wird es auch in Zukunft immer wieder mal zu kälteren Perioden und Spätfrost kommen, denen diese Bäume nicht gewachsen sind. Wie bei einem Temperaturanstieg von vier Grad unser Wald aussehen könnte, kann derzeit niemand voraussagen – ein kontrollierter Waldumbau ist praktisch nicht mehr möglich. Daher gilt es unbedingt diese Entwicklung zu verhindern, so Dr. Bauer. Gelingt es den Regierungen der Welt ihre derzeit geplanten Maßnahmen zur Einschränkung der Treibhausgasemissionen umzusetzen, so dürfte der globale Temperaturanstieg am Ende des Jahrhunderts, nach Berechnungen des Weltklimarates, bei ca. 3,2°C liegen.

 

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