Wie die Erde rund wurde - Von Thales' ebener Erde über die Entdeckung von Columbus bis zum GPS

 

Die Gestalt der Erde

 Von der antiken Astronomie bis zur modernen Erdmessung

 

"Im Mittelalter dachte man, die Erde sei eine Scheibe." Diesen Satz hat wohl jeder schon einmal gehört, doch heute wissen wir: Diese Aussage gehört ins Reich der Legenden. Historische Forschungen belegen, dass man auch im Mittelalter sich sehr wohl der von Aristoteles vermuteten und von Erathostenes gemessenen Kugelform der Erde bewusst war. Beschreibungen in historischen Schriften, überlieferte Kartendarstellungen und selbst Herrschaftsinsignien wie der Reichsapfel lassen keinen Zweifel über die damalige Vorstellung zur Erdgestalt. Lediglich das heliozentrische Weltbild, bei dem alle Planeten samt Erde die Sonne umkreisen, konnte erst mit präzisen astronomischen Beobachtungen im Zuge der Erfindung des Galilei'schen Fernrohrs bewiesen werden. Über diese Entwicklung der Weltbilder von der Antike bis ins Satellitenzeitalter berichtete am vergangenen Donnerstag der Nürnberger Wissenschaftshistoriker Pierre Leich im Vortragsraum des Geodätischen Observatoriums Wettzell, der bis zum letzten Platz belegt war.

 

Bereits im antiken Griechenland haben Gelehrte wie Aristoteles durch genaue Beobachtungen und konsequenten Schlußfolgerungen die Kugelgestalt der Erde postuliert. Auch ohne die Erde aus der Ferne zu betrachten kann jeder solche Beobachtungen machen, z.B. dass man von Nürnberg aus die Alpen nicht sehen kann, dass man von Schiffen am Horizont zuerst den Mast sieht, oder dass die Kreisbögen, die Sterne um den Polarstern beschreiben, vom Ort abhängig sind. So bleiben z.B. am Nordpol alle Sterne über dem Horizont, während am Äquator alle Sterne auf- und untergehen. Aber auch Effekte der Lichtbrechung z.B. Sonnenuntergängen kann man nur durch eine Krümmung der Erdoberfläche erklären. Und bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. hat Erathostenes durch unterschiedliche Schattenlängen zu gleichen Zeiten in Syene und Alexandria den Erdumfang auf 2 bis 10 % genau bestimmt, je nachdem welche Größe man der damals benutzten Einheit "Stadion" zuschreibt. Aber auch die wesentlich schwierigere Bestimmung der geografischen Länge erfolgte im 2. Jahrhundert v. Chr. durch Hipparchos mit Hilfe von Mondfinsternissen, bei denen der Eintritt des Mondes in den Erdschatten auf verschiedenen Längengraden zu unterschiedlichen Tageszeiten beobachtet wurde.

 

Auch im mittlelalterlichen Europa war diese Vorstellung durchaus bekannt und akzeptiert, wenngleich auch praktisch nur Kirchengelehrte Zugang zu den alten Schriften hatten. Mittelalterliche Karten wie die Weltkarte von Hereford oder die Ebstorfer Weltkarte drücken ein solches Weltbild aus. Ein Problem hatte die Kirche allerdings mit Antipoden, also Gebiete auf der gegenüberliegenden Seite der Erde. Damals galt der Äquator als unüberwindbar. Da aber alle Menschen von Adam und Eva abstammen sollen, könne es keine andere Seite mit Menschen geben. Diese Vorstellung änderte sich, nachdem portugiesische Seefahrer im Laufe des 15. Jahrhunderts an der afrikanischen Westküste immer weiter nach Süden vordrangen, bis schließlich 1474 das erste Mal der Äquator überquert und 1488 das Kap der Guten Hoffnung umrundet wurde.

 

Vor der beabsichtigten Fahrt nach Indien über die Westroute durch Christoph Columbus existierte schon eine recht gute Vorstellung über die Größe der Erdkugel, doch hatte man aus politischen Gründen durch geeignete Wahl der Einheit "Stadion" die Entfernung kleingerechnet, so dass Columbus im Jahr 1492 nicht wie erwartet in Indien, sondern in Amerika landete. Damals war es aber noch nicht klar, dass sich dahinter ein riesiger Kontinent verbirgt. Columbus dachte vielmehr an Indien vorgelagerte Inseln, was sich durch die Durchquerung Panamas und Vorfinden eines Ozeans an der Westküste aus seiner Sicht auch bestätigte.

 

In der heutigen Zeit, wo wir die Dimension des Erdkörpers genauer als 1 cm kennen, den Meerespiegelanstieg aus dem Weltraum mit Millimetergenauigkeit vermessen und die Tageslänge auf eine Hunderttausendstel Sekunde genau kennen, darf man nicht vergessen, wie genau seit 2500 Jahren mit den zur jeweiligen Zeit zur Verfügung stehenden Mitteln die Erde vermessen wurde.

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