Bodensenkungen im Oberrheingraben - natürlich oder menschgemacht?

 

Wenn aus Bildrauschen lebenswichtige Entscheidungen werden
GIZ-Vortrag über neueste Erkenntnisse aus der Radar-Interferometrie

In den Jahrhunderten der Entdecker brachen zahlreiche Forscher und Abenteurer auf, neue Kontinente zu finden und zu kartieren. Jahre lang waren sie unterwegs und dabei zahlreichen Gefahren ausgesetzt, um die letzten weißen und unbekannten Flecken der Erde zu erkunden. Sie hätten sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass die modernen Entdecker und Erforscher der Erde dies heutzutage bequem von ihrem Büro aus machen. Sie wälzen in ihren Computer Kolonnen von Daten, die von Satelliten gewonnen werden und auf den ersten Blick nicht viel mehr als Rauschen auf einem Bild sind. Trotzdem lassen sich daraus topographische Modelle entlegener Regionen erstellen, deren aktuelle zeitliche Veränderungen bis auf wenige Millimeter genau bestimmbar sind. Die genutzte Technik nennt sich Radar-Interferometrie. Mit ihr lassen sich bequem Gletscherbewegungen oder Massentransporte in Lavaströmen während eines Vulkanausbruchs verfolgen. Ein neues Aufgabenfeld ist das Beobachten von Veränderungen, die von Menschenhand ausgelöst wurden, zum Beispiel durch Bergbau und Erdölförderungen. Alle diese Themen der Fernerkundung beleuchtete Dr. Malte Westerhaus vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in seinem didaktisch sehr gelungenen Vortrag „Radar-Interferometrie  - Vermessung der Erdoberfläche aus dem Weltraum", womit der Förderverein Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. das Herbstprogramm einläutete.

Die hinter den Erkenntnissen steckende Technik basiert auf dem Radarprinzip. Von einem Satelliten in einer Flughöhe vom ca. 800 Kilometern werden in einer Sekunde bis zu 1680 Mal in einem Frequenzband gezielt sehr kurze Radarpulse ausgesandt. Die Pulse beleuchten die Erde auf einer Breite von etwa 100 km und werden an der Erdoberfläche zurück zum Satelliten reflektieren. Der Satellit tastet damit entlang seiner Bahn streifenweise die Erde ab. Über die rückgestreuten Intensitäten erhält man 2D-Bilder vom Untergrund. Über die Phaseninformation, also die Laufzeitveränderungen in den Signalen eines Bildes und zusammen mit weiteren Bildern von verschiedenen Überflügen lassen sich zudem zeitliche Veränderungen der Positionen der rückstreuenden Oberflächenpunkte auf der Erde berechnen. Durch die seitliche Blickrichtung des Radars, das nicht direkt senkrecht nach unten gerichtet ist, erhält man zusätzliche Winkelinformationen und damit die Topographie einer überflogenen Region. Metergenaue Geländemodelle der gesamten Erde werden möglich. Ergebnis der interferometrischen Technik sind aber auch farbig dargestellte Interferenzmuster, die weltweit Bewegungen der Erdoberfläche erkennen lassen.

Allerdings haben auch die modernen Weltentdecker mit Widrigkeiten zu kämpfen. Diese gefährden zwar nicht Leib und Leben, jedoch die Qualität und Genauigkeit der Ergebnisse. So beeinflusst der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre die Laufzeiten der Signale und täuscht scheinbare Änderungen vor. Modellierungen dieser Einflüsse können diese Effekte aber bis zu einem gewissen Grad eliminieren. Schwieriger verhält es sich mit den Änderungen des Rückstreuverhaltens auf dem Erdboden. Verändert sich zum Beispiel die Vegetation im Jahreswechsel, verlieren und bekommen also die Bäume Laub, ergeben sich nicht modellierbare Einflüsse. So sind die Daten über Städten wesentlich besser als über Waldgebieten, wie zum Beispiel dem Bayerischen Wald. Trotzdem kann man erstaunliche Folgerungen aus den Daten ableiten. So konnte man mit dem Doppelsatellitengespann TanDEM-X die Massenverlagerungen eines Lavastroms bei der Tolbachik-Eruption verfolgen und sogar auf die Förderraten rückschließen. Untersuchungen im Oberrheingraben ergaben klare Absenkungen in Bereichen großer historischer und aktueller Bergbauregionen bzw. Grundwasserentnahmen. Sie zeigten aber auch Hebungen, die durch das Einpressen von Wasser durch Geothermieanlagen verursacht werden, wie zum Beispiel in Landau. So können die modernen Welterforscher aus verrauschen Pixeln in Phasenbildern lebenswichtige Informationen und Entscheidungen für die moderne Gesellschaft ableiten.

 

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