Wie wichtig dunkle Nächte sind
Vortrag in Wettzell über Lichtverschmutzung
Schon seit jeher bestimmt der Rhythmus von Tag und Nacht unseren Tagesablauf. Viele kennen die Probleme, die das Verschieben von Tages- und Nachtzeiten, wie sie z.B. bei einem Jetlag auftreten, verursachen kann. Aber auch die Tierwelt ist irritiert, wenn die Nächte von Kunstlicht hell erleuchtet sind. Dieser übermäßige Einsatz von nächtlicher Beleuchtung, auch Lichtverschmutzung genannt, ist ein immer stärker zunehmendes Problem von globalem Ausmaß, was Bilder aus dem Weltraum eindrücklich vor Augen führen, und der Grad der Lichtverschmutzung nimmt schätzungsweise 2-6 % jährlich zu. Um dieses Thema ging es am vergangenen Donnerstag in Wettzell bei einem Vortrag von der Biologin Dr. Julia Freund vom Naturpark Bayerischer Wald, der gemeinsam vom Förderverein GIZ und der Sternwarte Roßberg veranstaltet wurde.
Die innere Uhr, in der Biologie auch zirkadiane (= ungefähr tägliche) Rhythmik genannt, ist bei den meisten Menschen zwischen 24 und 25 Stunden eingestellt und wird wesentlich von dem
körpereigenen Hormon Melatonin gesteuert. Es regelt zahlreiche biologische Prozesse im Körper herunter und gilt daher als Schlafhormon. Dieses in der Evolutionsgeschichte uralte Hormon hat auch
noch weitere Eigenschaften: Als starkes Antioxidans neutralisiert es im Körper freie Radikale, welche die Zellen schädigen, und verringert damit das Krebsrisiko. Die natürliche
Melatoninproduktion wird vor allem durch Licht, das im Auge auf die Netzhaut fällt, gesteuert. Eine Störung dieses Tag/Nacht-Zyklus, z.B. durch fehlende Dunkelheit in der Nacht, kann deshalb
erhebliche gesundheitliche Störungen verursachen.
Neben der Störung des Tag/Nacht-Rhythmus haben künstliche Lichtquellen auch andere teilweise verheerende Einflüsse auf Pflanzen und Tiere. Beispielsweise werden Fluginsekten von Licht angezogen
und umschwirren diese bis sie tot herabfallen. Dabei ist der Blauanteil des Lichts, die sogenannte Farbtemperatur, entscheidend: Insekten werden von kaltweißem Licht mit einer Farbtemperatur von
über 5000 Kelvin deutlich stärker angezogen als von warmweißen und eher gelblichen Tönen von 3000 Kelvin oder weniger. Aber auch Zugvögel, die nachts unterwegs sind und sich an Himmelskörpern
orientieren, werden von künstlichen Lichtquellen irritiert. Bilder von einigen hundert verendeten Vögeln, die in einer Nacht gegen die Scheiben hell erleuchteter Hochhausbüros prallten, sind
drastische Beispiele hierfür.
Aber auch die Schönheit des Nachthimmels steht auf dem Spiel. Viele Stadtmenschen haben noch nie die Milchstraße gesehen, und in der Lichtglocke der Großstädte ist teilweise nicht einmal der
große Wagen zu erkennen. Astronomen zieht es in den ländlichen Raum oder bei extremen Anforderungen in noch abgelegenere Regionen wie die chilenische Atacamawüste. In dunklen Regionen werden
Sternenparks geschaffen, um den Menschen die Faszination des direkten Blicks in unsere Milchstraße zu ermöglichen.
Im Rahmen des grenzüberschreitenden INTERREG-Projekts „Lichtverschmutzung – gemeinsame Lösungsansätze“ ist es die Aufgabe von Dr. Freund, in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für diese
Problematik zu schaffen und Gemeinden und öffentliche Einrichtungen hinsichtlich vorteilhafter Beleuchtung zu beraten. Dr. Freund zeigte auf, wie mit einfachen Maßnahmen unnötige Lichtemissionen
verhindert und damit auch der Energieverbrauch reduziert und Geld gespart werden kann, und plädierte durchaus für eine Verringerung oder Abschaltung nächtlicher Beleuchtung. Durch den geringen
Stromverbrauch moderner LEDs werden heute in der Regel hellere Leuchten installiert, die oft mehr blenden als nutzen. Es besteht auch kein Zusammenhang zwischen Kriminalität und
Beleuchtungsstärke im öffentlichen Raum, wie aus wissenschaftlichen Studien hervorgeht.
Ein Ziel ist auch die Schaffung eines Sternenparks Bayerischer Wald, der den gesamten Nationalpark umfassen und die umliegenden Gemeinden miteinbeziehen soll. Eine Zertifizierung durch die
International Dark-Sky Association (IDA) ist auf gutem Wege. Aber eine Reduzierung von Lichtemissionen ist in allen Regionen sinnvoll, denn neben Aspekten der Energieeinsparung und des
Artenschutzes profitiert davon auch die Gesundheit der Menschen. Denn nichts geht über einen geruhsamen Schlaf in Ruhe und Dunkelheit.