Mission Erde - Geodynamik und Klimawandel im Visier der Satellitengeodäsie


 Den Planeten und das Klima im Visier
Vortrag im Postsaal über Satellitengeodäsie

Woher weiß mein Smartphone, wo ich bin? Wie verändert sich unser Planet durch die Vorgänge im Erdinneren und den rasanten Umbruch des Weltklimas? Und wie kann das alles überhaupt so präzise gemessen werden?
Diese und weitere Fragen wurden am vergangenen Donnerstagabend in Bad Kötzting in einem öffentlichen Vortrag von Detlef Angermann den zahlreich erschienen Zuschauern beantwortet. Dr. Angermann vom Deutschen Geodätischen Forschungsinstitut der TU München ist am Observatorium Wettzell kein Unbekannter, seit Jahrzehnten besteht eine enge Kooperation der beiden Institutionen. Von daher ist Dr. Angermann prädestiniert, um über Erkenntnisse zur Gestalt der Erde und insbesondere deren kontinuierlich ablaufende Veränderung, die unter anderem aus den Wettzeller Messungen gewonnen werden, zu berichten. Angermann ist auch Autor eines Buches, was im Anschluss erworben werden konnte.

Die Geodäsie – also die Lehre von der Erdvermessung – hat eine lange Tradition, die vermutlich in der neolithischen Revolution vor mehr als 10.000 Jahren begann, als der Mensch begann Ackerbau zu betreiben. Spätestens den alten Griechen war bekannt, dass die Erde von annähernd kugelförmiger Gestalt ist,. Der Gelehrte Erastosthenes von Kyrene konnte bereits im dritten Jahrhundert v. Chr. durch geschickte Messungen den Umfang unseres Planeten mit rund 42.000 Kilometer erstaunlich genau bestimmen, Ab Beginn des 19. Jahrhunderts etablierte sich die Geodäsie als moderne Wissenschaft und man begann damit, die Länder präzise zu vermessen und zu kartographieren.

Mit dem Beginn des Satellitenzeitalters im Jahre 1957 eröffneten sich gänzlich neue Methoden, die eigene Position und damit die Abstände zweier Orte auf der Erde in zuvor unerreichter Genauigkeit zu ermitteln. Zu diesem Zweck werden im Wesentlichen vier Verfahren verwendet, die Dr. Angermann der Reihe nach vorstellte. Am bekanntesten ist die Positionsbestimmung mit globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS), wie z.B. GPS oder Galileo. Bei dieser kann ein Empfänger – es sind weltweit mehr als sechs Milliarden solcher Geräte im Einsatz – die eigene Position auf der Erde bestimmen, wenn es von mindestens vier Satelliten, deren Position exakt bekannt ist, je ein Signal erhält. Inzwischen ist das Netz an GNSS Satelliten über der Erde so dicht ausgebaut, dass es zu keinem Zeitpunkt einen Ort auf der Erde gibt, der nicht von mindestens vier Satelliten abgedeckt wird.

Beim Satellite Laser Ranging (SLR) werden stark reflektierende Satelliten von Bodenstationen mit Lasern bestrahlt. Indem man hochpräzise die Zeit misst, die das Licht benötigt, um hin und zurück zu laufen, kann der Abstand zwischen Satelliten und Station bestimmt werden. Durch häufige Messungen werden so neben den Satellitenbahnen auch die Positionen der Stationen bestimmt. Bei der Radio-Interferenzmessung (VLBI) können zwei Beobachter ihre Entfernung zueinander ermitteln, indem beide das Signal eines Quasars mit Radioteleskopen empfangen und den Zeitunterschied des Signaleingangs vergleichen. Quasare sind die aktiven Kerne weit entfernter Galaxien, die so viel Energie in Form von Licht ausstrahlen, dass sie bis zu 100 Billionen mal heller strahlen als unsere Sonne. Beim Doppler-Funksystem DORIS können Satellitenbahnen sowie die Erdrotation überwacht werden, indem die von den Satelliten emittierten Radiowellen auf den Dopplereffekt hin untersucht werden. Bei diesem Effekt ändert sich die Wellenlänge eines Signals abhängig von der Geschwindigkeit des Senders. Weltweit gibt es nur fünf Orte, an denen alle vier Messverfahren zugleich angewandt werden – einer davon ist das Geodätische Observatorium in Wettzell.

Durch diese Methoden können  beispielsweise die Verschiebung der Erdplatten um bis zu mehrere Zentimeter jährlich oder der rasante Anstieg des Meeresspiegels, der sich in den letzten 50 Jahren verdreifacht hat, extrem präzise gemessen werden. Neben diesen globalen Phänomenen werden aber auch regionale und lokale Veränderungen sichtbar. So zeigen Messungen, dass Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens mit rund dreimal so vielen Einwohnern wie Berlin, durch die Entnahme von Grundwasser kontinuierlich stark absinkt – an manchen Stellen bis zu 25 Zentimeter pro Jahr. Da die Hälfte der Stadt bereits jetzt unterhalb des Meeresspiegels liegt, werden manche Stadtteile in absehbarer Zeit nicht mehr bewohnbar sein. Einer der Gründe, weswegen die Regierung beschlossen hat, ab nächstem Jahr mit der Errichtung einer neuen Hauptstadt auf Borneo zu beginnen.

Doch nicht nur im fernen Indonesien sinkt der Grundwasserspiegel ab. Anhand von Messungen der lokalen Erdschwere wird deutlich, dass auch in Wettzell die Grundwasservorräte in den vergangenen Jahren der Trockenheit merklich zurück gegangen sind und sich bislang auch nicht regenerieren konnten.

Insgesamt ist der Trend eindeutig: Obwohl geodynamisch verursachte Naturkatastrophen wie Erdbeben und Tsunamis seit Jahrzehnten in ihrer Häufigkeit auf gleichem Niveau verbleiben, hat sich die Zahl der klimabedingten Naturkatastrophen insgesamt in den letzten 40 Jahren etwa vervierfacht. Veränderungen der Umwelt, die sich nicht nur auf die Leben der Menschen, sondern auch auf die Gestalt der Erdoberfläche selbst auswirken. Und damit schafft die Geodäsie nicht nur die Voraussetzung für das Funktionieren des Navis, sondern ist auch ein wichtiger Baustein der Daseinsfürsorge.

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