Fluggravimetrie: Gravitationsmessungen über den Wolken.


Wenn die Schwerkraft Rohstoffe verrät
GIZ-Vortrag über neue Techniken der Fluggravimetrie

Schon als Kind kommt man ziemlich schnell mit der Schwerkraft der Erde in Berührung, wenn man zum Beispiel bei ersten Gehversuchen permanent hinfällt. Auch als Erwachsener ist die Schwerkraft manchmal eine lästige Komponente, die Tassen und andere Gegenstände zu Boden zieht. Die wenigsten von uns aber fragen sich dabei, wie und wie schnell diese Gegenstände fallen oder was man mit einer solchen Erkenntnis machen könnte. Isaac Newton ist hier wohl eine Ausnahme gewesen, wird ihm doch nachgesagt, dass er beim Fall eines Apfels zu der bahnbrechenden Erkenntnis gekommen sein soll, sein berühmtestes Gesetz aufzustellen. Dieses beschreibt mathematisch, wie sich zwei Massen anziehen und dass diese Anziehungskraft mit dem Radius zum Quadrat abnimmt. Das heißt, dass die Erde uns, wir aber auch die Erde anziehen - wenn auch minimal. Entscheidend ist dabei die "aufsummierte" Masse in Richtung des Massenzentrums. Zudem besagt das Gesetz, dass bei doppelter Entfernung die Kraftwirkung nur noch ein Viertel ist. Diese Erkenntnis ist fundamental und überall im Universum gültig. Das nutzen Newtons Nachfolger heute und bauen hochgenaue Messinstrumente für die Schwerkraft in Flugzeuge, um Anomalien der Erdanziehungskraft entlang der Flugstrecke zu entdecken, was Anzeichen für Lagerstätten von Rohstoffen sein kann.

Einer dieser Forscher ist Dr. David Becker von der Technischen Universität Darmstadt, der am vergangenen Donnerstag am Geodätischen Observatorium Wettzell einen Vortrag zu dieser Methode, der sogenannten "Fluggravimetrie: Gravitationsmessungen über den Wolken", gehalten hat. Obwohl sich die Methode beim ersten Blick relativ einfach anhört, ergibt sich bei näherer Betrachtung ein erheblicher Aufwand. Sensoren für die Erdanziehungskraft bestehen entweder aus Massen an einer Feder oder führen Fallexperimente durch und Vermessen den freien Fall einer normierten Masse. Sie sehen dabei immer eine Kombination aus der echten Anziehungskraft an diesem Ort der Erde, den Fliehkräften aus der Drehgeschwindigkeit der Erde an diesem Punkt und möglichen linearen Beschleunigungen, die auf das Instrument einwirken. Da man an jedem Ort immer eine Kombination aus Anziehungsbeschleunigung und Fliehbeschleunigung misst, wird dafür der Begriff "Schwere" benutzt. Hier ist übrigens nicht an jedem Ort der Welt die in der Schule so streng gelehrte Fallbeschleunigung von 9,81 Meter pro Quadradsekunde gültig, da sich die wahre Beschleunigung entsprechend der wirkenden Massen und der Fliehkräfte ändert.

Wirkende Fliehkräfte kann man dabei sehr gut bestimmen, was unter anderem aus Erdrotationsdaten des Observatoriums Wettzell geschieht. Schwieriger wird es, mit den turbulenten, linearen Kräften, die während eines Fluges mit einem Flugzeug entstehen. Messinstrumente sind deshalb meist klobige, komplexe, stabilisierte Instrumente, deren Einsatz extrem zeit- und kostenaufwändig ist. Die Gruppe um Dr. Becker hatte deshalb eine andere Idee: den Einsatz von Inertialsensoren, wie sie in der Flugnavigation genutzt werden, um Beschleunigungen entlang der Raumachsen eines Flugzeugs für die Navigation- und Lageregelung zu bestimmen. Diese Sensoren haben die Größe eines Schuhkartons und besitzen drei Laserkreisel und drei Beschleunigungssensoren, so dass jede Raumrichtung abgedeckt ist. Dabei liefern sie ähnlich gute Schwere-Ergebnisse, wie die großen "Verwandten", was Testbefliegungen während Kampagnen in Chile, Malaysia/Borneo, Mosambik, Australien, in der Antarktis oder entlang des Rheingrabens gezeigt haben. Zur Genauigkeitssteigerung werden zudem Positionsdaten aus mitgeführten Empfängern der Navigationssatellitensysteme, und seit neuestem auch sog. Doppler-LIDAR zur Abstandsmessung zum Erdboden mitgeführt. Die riesigen Datenmengen werden mittels komplexer mathematischer Prozesse verrechnet und liefern wertvolle Ergebnisse für verschiedene Anwendungen, wie zum Beispiel der Bestimmung der Höhen über Normalnull im Höhensystem oder der geophysikalischen Suche nach Rohstofflagerstätten.