Intelligentem Leben in der Milchstraße auf der Spur
GIZ-Vortrag über die neue Nutzung der Wettzeller Ballistischen Messkammer
In den Anfängen des Geodätischen Observatoriums Wettzell diente sie der Beobachtung von Satellitenbahnen anhand von Spuren auf Fotoplatten. Bei ihrem letzten Einsatz 1986 lieferte sie ein Bild
vom Halleyschen Kometen. Dann trat sie in dem kleinen Häuschen mit dem Schiebedach in Mitten des Observatoriums in einen Dornröschenschlaf. Ihre Zeit war durch die genauere
Laserentfernungsmessung besiegelt. Weltweit gibt es mittlerweile aber nur noch zwei Stück. Die Rede ist von einem Instrument, von dem wahrscheinlich noch niemand außerhalb der Geodäsie gehört
hat: der Ballistischen Messkammer BMK 75. Dabei ist sie eine nahezu verzerrungsfreie, hochentwickelte Sternkamera mit zehn nacheinander geschalteten Linsen, die damals von Zeiss in Oberkochen
entwickelt wurde. Gerade wegen ihrer hervorragenden Optik kamen Wissenschaftler am Observatorium Lustbühel in Graz und am Leibnitz-Institut für Astrophysik Potsdam auf eine bahnbrechende Idee,
die den verbliebenen BMK-Systemen ein neues Leben schenkte und eine ewige Menschheitsfrage klären soll: gibt es weiteres intelligentes Leben im All.
So konnte Prof. Klaus Strassmeier vom Institut für Astrophysik in Potsdam am vergangenen Donnerstag nun von den neuen Aufgaben und wissenschaftlichen Hoffnungen für die BMK in seinem GIZ-Vortrag
"Auf der Suche nach neuen Welten: Das zweite Leben der Wettzeller BMK in Chile" im vollbesetzten Sitzungsraum des Observatoriums berichten. Hintergrund der Idee ist, dass Planeten außerhalb
unseres Sonnensystems mittels der sogenannten Transit-Methode erfasst werden. Dabei wandert der Planet vor seinem Zentralgestirn vorbei und lässt diesen in seine Helligkeit schwanken. Mit guten
Teleskopen kann man diese minimalen Schwankungen erfassen und so den Planeten nachweisen. Aus der Veränderung und seiner Dauer ist es sogar möglich, auf die Größe des Planeten und seine Bahn
zurückzuschließen. Zusammen mit der Größe des Sterns werden dann auch Trabanten erfasst, die in der sogenannten habitablen, also lebensfähigen Zone kreisen. Heutzutage wurden so bislang über 4000
Exoplaneten erfasst, die in 2900 Sonnensystemen in unserer Milchstraße kreisen. 670 Sonnen gleichen dabei unserer und 160 Planeten könnten so wie unsere Erde sein.
Dabei ergibt sich aber ein Problem: Die meisten aktuellen Teleskope können aufgrund ihrer Auflösung nur sehr große Planeten entdecken, die in wenigen Tagen ziemlich nahe um große Sterne kreisen,
da nur große Lichtschwankungen in kurzer Zeit auf diese Art sichtbar werden. Deshalb will die ESA ab dem Jahr 2025 die PLAnetary Transits and Oscillations of stars (PLATO) Mission starten und mit
einem Weltraumteleskop ungeahnter Güte nach weiteren, kleineren Planeten suchen. Eigentlich besteht das Teleskop aus 26 kleineren Teleskopen, die zusammen ein Bild liefern und so viele Daten
produzieren, dass man sie nicht alle zur Prozessierung zur Erde senden kann. Die Wissenschaftler müssen deshalb vorab eine Vorauswahl der Regionen treffen, die interessant für die Suche nach
erdähnlichen Planeten sind. Genau hier kommt die BMK ins Spiel.
Sie wurde nach einer Überarbeitung und Ausstattung mit einem 250.000,- Euro teuren CCD-Chip in Chile am Cerro Murphy in einer Höhe von 3046 Metern installiert, damit die atmosphärischen Störungen
möglichst gering sind. Dort wird sie eine Vorauswahl für bestimmte Regionen liefern und dies komplett autonom. Sie reagiert auf Umwelteinflüsse und bearbeitet Aufträge automatisch. Vielleicht
findet sie so ja auch einen Planeten, der intelligentes Leben beherbergt. Laut der sogenannten Drake Gleichung, in der die Wahrscheinlichkeiten mit verschiedenen Parametern aus bisherigen
Erkenntnissen abgeschätzt werden, könnte man - wenn pessimistische Annahmen zugrunde gelegt werden - mindestens 50 weitere Zivilisationen auf unserem Stand alleine in unserer Milchstraße
erwarten. Kleine Veränderungen der Parameter lassen diese Zahl schon auf Millionengröße anschwellen, nur in unserer Galaxis. Bei einer geschätzten Zahl von einigen Hundert Milliarden Galaxien im
gesamten Universum kommt man auf eine atemberaubend hohe Zahl von Zivilisationen auf erdähnlichen Planeten. Das entspricht ganz dem Ausspruch des Astronoms Carl Sagan: "Der Weltraum ist ganz
schön groß. Gäbe es nur uns, wäre das eine schreckliche Verschwendung von Platz."