Was Geodäten an der Küste so treiben: Schiffe als Meerespegel.


Kreuzfahrten für die Erdvermessung

GIZ-Vortrag über Meerespegelmessungen mit Schiffen

 

Der globale Meerespegel steigt stetig um 3,3 Millimeter pro Jahr an. Dieser Wert lässt sich aus über 30 Jahren Satellitendaten eindeutig ableiten. Er stellt den gesamten Trend auf der Erde dar. Dabei steigt der Meeresspiegel aber nicht überall gleich oder fällt sogar. Die regionalen Unterschiede betragen zwischen plus 10 Millimeter und minus 10 Millimeter. Dort wo sich zum Beispiel die Landmasse aufgrund der Landhebung nach dem Weggang eines eiszeitlichen Gletschers hebt, scheint sich das Meer scheinbar zu senken und der Pegel fällt. Zur Ermittlung dieser regionalen Meerespegeländerungen werden heute für Daten zum offenen Meer Erdbeobachtungssatelliten eingesetzt. In Küstennähe sind diese ungenauer, so dass Radarseepegel genutzt werden, die zusätzlich zur Ortsbestimmung und Einbindung ins globale Referenzsystem einen GPS-Empfänger tragen. Ein Team der Jade Hochschule Wilhelmshaven, Oldenburg und Elsfleth um Prof. Dr. Jörg Reinking hat für die Messung aber noch eine weitere Methode entwickelt und dazu mehrere Empfänger für die globalen Navigationssatellitensysteme (GNSS) auf herkömmlichen Schiffen, wie AIDAblu, Frachtern oder Helgoland-Fähren installiert. Darüber berichtete Dr. Reinking am vergangenen Dienstag in seinem Vortrag "Was Geodäten an der Küste so treiben: Schiffe als Meerespegel" beim Förderverein Geodätisches Informationszentrum in Wettzell.

 

Die Idee scheint auf den ersten Blick sehr einfach. Man installiert an verschiedenen Punkten eines Schiffes GPS-Antennen und zeichnet die Daten während der Fahrt auf. Schon hat man die Höhenangaben mit hoher räumlicher Auflösung entlang des Fahrweges in einem einheitlichen Höhensystem. Leider ist dabei der Abstand der Antenne von der Wasseroberfläche von verschiedenen Faktoren abhängig, z.B. vom Gewicht der Ladung, dem Meersalzgehalt, vom Verhalten des Schiffes in den Wellen bei Fahrt, von der Durchbiegung des Schiffes oder auch vom sogenannten Squat-Effekt. Bei diesem saugt sich das Schiffe bei steigenden Geschwindigkeiten immer weiter ins Wasser, da sein Rumpf wie eine umgekehrte Flugzeugtragfläche wirkt. Gerade wegen dieses Effekts sieht Reinking auch ein Potential der industriellen Nutzung, da das Verfahren mit den GNSS-Antennen nicht nur wissenschaftliche Meeresdaten liefern kann, sondern auch für die Trimmung des Schiffes und zur Reduktion des Squat-Effekts nützlich ist. Das spart bei einer Überquerung der Weltmeere Treibstoff und damit Kosten.

 

Somit ist für genaue Daten nicht nur der statische Zustand des Schiffes bezogen auf den Wasserlinienschwerpunkt von Wichtigkeit, sondern auch das Gieren, Rollen, Stampfen oder Heaven (eine Auf- und Abbewegung) des Schiffes während der Fahrt. Zahlreiche Berechnungen und Testfahrten mussten unter anderem auf der AIDAblu zwischen Teneriffa und Madeira oder auf dem Frachter "Monte Verde zwischen Korea und Mexiko unternommen werden, um die Technik zu verbessern und exakte Werte zu erhalten. Gerade aber solche Pazifikfahrten waren das Besondere für den Doktoranden, der die Aufgabe bearbeitet hatte. Wann kann man in seiner wissenschaftlichen Laufbahn schon ein solches Abenteuer erleben. Die finalen Tests laufen zur Entwicklung einer Kombinationsstrategie eher im näheren Umfeld der Hochschule, nämlich auf den Helgoland-Fähren "Funny Girl" und "Fair Lady". Hier werden auch spezielle Techniken getestet, um die Reflektion der Satellitensignale an der Meeresoberfläche in Korrelation mit den unreflektierten, direkten Signalen zur Errechnung der Antennenhöhe über dem Meerespegel zu nutzen. Alle Versuche sind dabei sehr erfolgreich und vielversprechend und so könnte es durchaus sein, dass man bei einer der nächsten eigenen Kreuzfahrten unbemerkt gleichzeitig wissenschaftliche Daten gewinnt und dem klimawandelbedingten Meeresspiegelanstieg auf der Spur ist.


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