Schweremessungen an der Nordseeküste: Was die Höhe des Mt. Everest mit Wattwürmern zu tun hat

 

Alles ist relativ - auch die geografischen Höhenangaben
GIZ-Vortrag über Schweremessungen für die Höhenbestimmung an der Nordseeküste

Wir alle nutzen ganz selbstverständlich Höhenangaben. Für unsere Fahrradtouren gibt unser GPS-Gerät grafisch anspruchsvolle Höhenprofile aus und auf den Bergen betrachten wir stolz die aufgedruckten Höhen, die uns zeigen, welchen Aufstieg wir gemeistert haben. Auf die Frage, welcher Berg der höchste auf dieser Erde ist, nennt man ziemlich schnell den Mt. Everest mit seinen 8.846 Metern. Schaut man allerdings etwas genauer hin, wird klar, dass es eigentlich der Mauna Kea Vulkan auf Hawaii ist. Denn die Höhenangabe beim Mount Everest bezieht sich auf Normal-Null, während sich der Mauna Kea auf einer Insel befindet und den größten Teil unter Wasser versteckt. Er misst vom Fuß bis zum Gipfel stolze 10.203 Meter. Schaut man noch genauer hin, könnte man auch auf den Chimborazo in Ecuador kommen. Er hat zwar nur 6.268 Meter über dem Meeresspiegel, ist aber der höchste Berg vom Erdmittelpunkt aus gemessen. Die Folgerung ist: Höhenangaben sind relativ und bedürfen der Nennung von Bezugsflächen. Die verschiedenen Bezugssysteme müssen zudem konsistent ineinander überführbar sein, so dass verschiedene Höhenbezüge physikalisch und geometrisch klar definiert werden können. Dies war Thema des GIZ-Vortrags "Schweremessung an der Nordseeküste - Was die Höhe des Mt. Everest mit Wattwürmern zu tun hat" von Jan Müller vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) Leipzig.

Eine der zentralen Aufgaben des BKG ist es, solche Höhenbezugsysteme sicherzustellen. Doch wie wird die Höhe ermittelt und worauf bezieht sie sich heutzutage? Hier ist anfänglich die grundsätzliche Gestalt der Erde zu erfassen. In erster Näherung denkt man dabei an die beim Globus dargestellt Form der Erde als Kugel. Da die Erde rotiert, zerren aber Fliehkräfte an ihr und verformen sie zu einem Rotations-Ellipsoid, der an den Rotationspolen um ca. 21 km zusammengedrückt ist. Die eigentliche physikalische Beschreibung ist aber der Geoid.

Dies ist eine in Ruhe gedachte Meeresspiegelfläche, die auch unter den Kontinenten fortgesetzt wird. Auf dieser Fläche herrscht das gleiche Erdschwerepotential, also vereinfacht die gleiche Anziehungskraft der Erde als Kombination aus Erdanziehungskraft und Zentrifugalbeschleunigung. Zudem ist an jedem Punkt die Lotrichtung senkrecht zu dieser Fläche. Das klassische Nivellement, bei dem stufenweise Höhenunterschiede ausnivelliert werden, bezieht sich auf diese Höhe des mittleren Meeresspiegels. Neue Techniken nutzen jedoch satellitengestützte Verfahren, die sich auf die geometrische Höhenbezugsfläche des Ellipsoids beziehen. Dies ist der Grund, warum das GPS-Gerät zum Beispiel auf dem Großen Arber eine andere Höhenangabe liefert, als in den Karten steht.

Klassische Höhenangaben haben damit immer indirekten Bezug zum Schwerefeld und damit der Erdanziehung. Diese kann mittels Federgravimetern, bei der die Position einer Testmasse an einer Feder an verschiedenen geografischen Punkten vermessen wird, bestimmt werden. Um klare Umrechnungsregeln zwischen den verschiedenen Höhenbezügen zu schaffen und damit hochwertige Modelle zu erzeugen, sind deshalb flächendeckende Schwerebestimmung nötig. Gerade aber an den Küstenregionen, wie dem Watt, waren diese bisher zu spärlich, da Schiffsmessungen nicht bis zur Küste und Landkampagnen nicht bis zum schiffbaren Gewässer gingen. So wurde die Schwere in einer dreijährigen Projektarbeit entlang der kompletten Küstenregion der Nordsee neu aufgenommen und 2016 in ein neues Modell eingerechnet. Bürokratische Hürden waren zu überwinden, Spezialfahrzeuge zu Land und Wasser zu nutzen und hunderte Messpunkte zu Fuß bei Ebbe und teilweise im Matsch abzuschreiten. Doch das Ergebnis hat sich gelohnt. Die Modelle können nun auf realen Daten aufbauen und die Genauigkeit wurde um plus-minus acht Millimeter verbessert. Angesichts der immer genauer werdenden Anforderungen ein sehr erfreuliches Resultat.

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