Von der FLAK zum TWIN - 45 Jahre geodätische Raumverfahren in Wettzell

Geschichte und Geschichten der Geodäsie in Wettzell
Ersatzvortrag des GIZ über 45 Jahre Fundamentalstation Wettzell

Sieben Jahre nach Gründung der Satellitenbeobachtungsstation Wettzell im Jahr 1972 kam einer kleinen Gruppe um den Automobil-Ingenieur Fritz Hobrack die Idee zur Errichtung einer Ferien- und Lehrsternwarte in Wettzell. Aus der astronomischen Sternenbeobachtung in einer Volkssternwarte wurde zwar nichts, dafür entwickelte sich die Station zu einem Observatorium von Weltrang, wo man seit 45 Jahren mit geodätischen Weltraumverfahren die Erde und ihre Veränderungen beobachtet. Drei Radioteleskope, zwei Laserteleskope, ein Großringlaser, und zahlreiche lokale Messeinrichtungen prägen heute das Bild dieses Geodätischen Observatorium, so dass die Silhouette durchaus Ähnlichkeit mit der Süd-Westansicht den damals gezeichneten Sternwartenplänen hat. Dabei können das Observatorium und seine Ingenieure und Wissenschaftler auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Davon berichtete Dr. Thomas Klügel und Dr. Wolfgang Schlüter in ihrem Vortrag "Von der FLAK zum TWIN - 45 Jahre geodätische Raumverfahren in Wettzell". Die Präsentation fand als Ersatz für den eigentlich angekündigten Vortrag "Potentiale der Erdbeobachtung vor dem Hintergrund des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf kalte Regionen" von Dr. Andreas Dietz vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum Oberpfaffenhofen statt, der am kommenden Donnerstag, den 22.11.2018 um 20 Uhr nachgeholt wird.

Trotz des Ausfalls kamen die Zuhörer auf ihre Kosten, konnten sie doch mit auf eine Reise durch die Entwicklungsgeschichte der Satellitengeodäsie gehen. Die Geburtsstunde aller Satellitentechniken und damit auch der Satellitengeodäsie war Sputnik 1, als er im Oktober 1957 mit seinem Kurzwellensender die westliche Welt aufwühlte. Wettzell hatte seine Geburtsstunde 1971, als für 70.000,- DM die ersten Holzhäuser mit Infrastruktur aufgebaut wurden. Ziel war die optische Richtungsmessung zu Sternen mit damaligen Techniken, wie der Zirkumzenitalkamera oder der Ballistischen Messkamera BMK-75. Satellitenspuren wurden dazu in Langzeitbelichtungen vor dem Sternenhintergrund aufgenommen, um aus den Spuren Lotrichtungen und deren Änderungen zu errechnen. Daraus konnte man die Polbewegung ableiten.

In dieser Zeit gab es auch die Anfänge der Laufzeitmessungen zu Satelliten, wie Beacon-C, Ajisai oder dann Lageos. Dazu wurde damals ein Messsystem der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (heute Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt) auf einer FLAK-Lafette der Bundeswehr montiert. Damit konnten einzelne Laserpulse zu den Satelliten gesandt werden und aus den empfangenen Echos die Laufzeit und damit Entfernung zum Satelliten berechnet werden. Am 8. April 1973 gelang damit die erste erfolgreiche Messung. Laser späterer Generationen und ein mobiles Messsystem folgten und mittlerweile gibt es auf der Station zwei Lasermesssysteme, die teilweise automatisch ihren Dienst verrichten.

In den 1980er Jahren begannen dann Dopplermessungen. Das ursprünglich für die U-Boot-Navigation gedachte System, konnte die eigene Position mittels der Dopplerverschiebung ermitteln. Heute nutzt man dazu die GPS-Satelliten. Lange bevor es seinen Siegeszug in jedes Fahrzeug und Handy unternahm, wurde die Technik bereits in Wettzell eingesetzt. So fand in Wettzell 1983 die erste GPS-Positionsbestimmung in Deutschland statt.

Die zur selben Zeit errichtet Radioantenne war ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer festen Einrichtung der Geodäsie. Das ab 1981 errichtete Radioteleskop prägt auch heute noch das Bild der Landschaft und ist seit 1983 eine feste Institution in der internationalen Radiointerferometrie. Dabei ist Wettzell so erfolgreich, dass für 10 Millionen Euro ab 2007 zwei weitere Radioteleskope gebaut wurden, die 2013 eingeweiht und seit 2015 den regulären Betrieb aufgenommen haben. Zahlreiche weitere Messsysteme erweitern heute die High-Tech Einrichtung. So wurde aus den Holzbaracken aus dem Jahr 1972 ein geodätisches Observatorium, das seinesgleichen sucht.