Wer hat an der Uhr gedreht? Die Schaltsekunde und ihre Folgen

 

Wenn eine Minute plötzlich 61 Sekunden hat
GIZ-Vortrag über die Schaltsekunde

Am Ende des Jahres ist es wieder soweit. Während die meisten Menschen in das neue Jahr hineinfeiern, wird auf unseren Uhren einmal genau um ein Uhr Ortszeit eine Minute 61 Sekunden haben. Es wird eine Schaltsekunde eingeführt. Die letzte wurde im vergangenen Jahr im Juni angebracht. Viele Menschen werden davon nicht viel mitbekommen und alles nur aus der Presse erfahren. Trotzdem dient die Aktion dazu, unser normales Leben nach dem „Sonnentag“ auszurichten. Da sich die Erde immer langsamer dreht, würde unsere normale Uhrzeit aus den Atomuhren langsam über hunderte von Jahren von der normalen Tageszeit abweichen. Mittag wäre dann nicht mehr mitten am Tag, sondern in die Nacht verschoben. Aus diesem Grund wird künstlich die wesentlich genauere Atomzeit auf die erlebte, mittlere Sonnenzeit angeglichen. Doch dies hat nicht nur Vorteile. Die Schaltsekunde beeinflusst Fahrpläne, Börsengeschäfte und Computernetzwerke. Zusätzlich wird es in etwa 1500 Jahren notwendig werden, alle 33 Tage eine Schaltsekunde einzuführen. Aus diesem Grund streiten sich die Wissenschaftler über eine mögliche Abschaffung der Schaltsekunde. Darüber berichtete Dr. Wolfgang Dick von Zentralbüro des Internationalen Erdrotationsdienstes beim Bundesamt für Kartographie und Geodäsie in Frankfurt am Main in seinem GIZ-Vortrag „Wer hat an der Uhr gedreht? Die Schaltsekunde und ihre Folgen.“

Unser Leben und Handeln ist strikten Abläufen unterworfen, die sich meist in einen strengen Zeitplan einordnen. Doch was ist die von uns selbstverständlich genutzte Zeit überhaupt. Heutzutage kommt unsere Uhrzeit aus Atomuhren. Seit 1967 ist eine Sekunde das 9.192.631.770-fache der Periodendauer eines Übergangs zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Caesium-Atomen. Damit bezieht sich die Sekunde auf „Atomschwingungen“, die konstant gleichmäßig verlaufen, solange die Uhren nicht Einsteins relativistischen Effekten unterworfen werden. Solche stabilen Uhren erzeugen die sehr genaue Internationale Atomzeit TAI.

Demgegenüber steht die Universalzeit UT1, die aus astronomischen Beobachtungen eine Art „mittlere Sonnenzeit“ beschreibt. Doch diese Beobachtungen werden beeinflusst durch die Jahreszyklus der Erdrotation. Die Erde kann man sich einfach als Kreisel im Weltraum vorstellen. Die Drehbewegung des Kreisels wird dabei von äußeren Einflüssen, wie den Anziehungskräften des Mondes beeinflusst. Zudem ändert sie sich auch, wenn sich Massen auf der Erde verlagern. Dies ist vergleichbar mit einem Eiskunstläufer. Seine Pirouette wird auch schneller, wenn er die Arme eng an den Körper legt. Solche Rotationsschwankungen treten auch im Laufe des Erdenjahres auf. Luftströmungen in der Atmosphäre verlagern sich, Eismassen schmelzen ab oder nehmen zu oder Meere erwärmen sich und dehnen sich etwas aus. Insgesamt verlangsamt sich die Rotation aber. Damit nimmt aktuell jeder Tag um etwa 1,7 Millisekunden zu. In etwas mehr als eineinhalb Jahren ist damit die Tageslänge um eine Sekunde länger. Eine Schaltsekunde wird nötig. Die Atomzeit wird angepasst und als Koordinierte Weltzeit (UTC) im Alltagsleben genutzt, die der heute nicht mehr verwendeten Greenwich Mean Time (GMT) entspricht.

Zur Laufendhaltung dieser Zeitskala braucht man genaue astronomische Messungen von UT1. Diese werden international koordiniert mit dem Radioteleskop Wettzell durchgeführt. Dabei betrachten zwei weltweit verteilte Teleskope, wie zum Beispiel Kokee Park auf Hawaii, Wettzell in Deutschland und Tsukuba in Japan, die gleiche Radioquelle im Weltall. Die Milliarden Lichtjahre gereisten Signale treffen aufgrund der weltweiten Verteilung zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf die Teleskope. Ändert sich die Erdrotation, ändert sich auch der Laufzeitunterschied zwischen den Teleskopen. Es ergibt sich eine präzise Aussage über die Erdrotationsparameter und damit über UT1. Während also an Silvester die Menschen ins neue Jahr feiern und von der Schaltsekunde nur bedingt erfahren, arbeiten die Wissenschaftler in Wettzell bereits wieder an der Messung der Uhrenabweichungen für die nächste Schaltsekunde.

 

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