Der Helmert-Turm Potsdam und seine Bedeutung für die europäischen Triangulationen

 

Monument mit Vermessungsgeschichte
GIZ-Vortrag über Helmertturm in Potsdam - Dr. Johannes Ihde referierte

Heute steht er verwittert und einsam auf dem ehemaligen Telegrafenberg in Potsdam. Doch in seiner 123-jährigen Geschichte erlebte er das Aufkeimen der Erdvermessung als feste Einrichtung der preußischen Territorialherrschaft. Er war als astronomisch-geodätischer Bau Zentralpunkt eines Netzes der Mitteleuropäischen Gradmessung vom Nordkap bis Persien und vom Atlantik bis zum Ural. Die Rede ist vom Helmertturm, der nach einem der bedeutenden Geodäten der deutschen Geschichte benannt ist. Nach den Weltkriegen Wurden die Daten aus den damaligen Vermessungen noch bis in die 1990er Jahre hinein genutzt. Jedoch reduzierte sich die Bedeutung des Turmes aufgrund politischer Gegebenheiten, so dass er langsam fast in Vergessenheit geriet. Als monumentales Bauwerk, das bewegende Vermessungsgeschichte schrieb, soll der Turm nun mittels Spenden wieder saniert und der Nachwelt erhalten werden. Diese Themen fasste Dr. Johannes Ihde vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie in Frankfurt am Main in seinem Vortrag „Der Helmertturm Potsdam und seine Bedeutung für die europäische Triangulation“ für den letzten GIZ-Vortrag in diesem Halbjahr zusammen.

Neben der Bedeutung von Kartenmaterial und Vermessungsdaten für das Militär, den Staat und die Wirtschaft waren damals wissenschaftliche Fragestellungen zur Form der Erde und ihrer Abplattung, zur Lage der Erdachse oder zu Änderungen der Drehgeschwindigkeit der Erde im Zentrum des Interesses. Schon im 18. Jahrhundert wurden dazu von verschiedenen Ländern Meridianbögen vermessen. Im damaligen Preußen wurde für diese Aufgaben das Preußische Geodätische, Institut gegründet. Man begann mit der Durchführung von Triangulationen, also dem Aufbau von Dreiecksnetzen, um eine Fläche für die Landvermessung geodätisch zu vermarken. Die Akribie der damaligen Vermessung spiegelt sich auch in Karikaturen wider, zum Beispiel zeigte Dr. Ihde eine Zeichnung, in der ein Landvermesser mit Zylinder und Frack dem „deutschen Michl“ in sein Bettgemach einen Vermessungspflog rammt.

Zur Wende ins 20. Jahrhundert wurde Potsdam quasi zum Weltzentrum für die wissenschaftliche Geodäsie. Diese Entwicklung fiel in eine wissenschaftliche Glanzzeit Deutschlands, in der die Wissenschaftlichen Ergebnisse maßgeblich aus dem deutschsprachigen Raum geprägt waren. Eine der federführenden Personen im Bereich der Erdvermessung dieser Zeit war Friedrich Robert Helmert. Als Direktor des Geodätischen Instituts Potsdam legte er die Grundpfeiler und definierte in einem seiner Bücher die Geodäsie als die Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche. Für astronomische und geodätische Analysen ließ er auf dem Telegrafenhügel in Potsdam einen Messturm errichten und stattete ihn mit entsprechenden Instrumenten aus.

Der Aufwand für die Vermessung eines ganzen Landes war durchaus erheblich. Aus heutiger Sicht, in der jeder Navigationssysteme im Handy benutzt, ist es kaum vorstellbar, dass Trupps von 30 und mehr Leuten damit beschäftigt waren, Besselsche Messapparate auf exakt planierten Straßen auszurichten, um wenige Kilometer exakt zu vermessen. Die Triangulationen wurden dann an Zentralpunkte angeschlossen, die als geodätisches Datum die Position, Orientierung und Zeit des Netzes bildeten. Einer dieser Zentralpunkte für das Reichsdreiecksnetz vvurde schließlich der 1924 nach seinem Erbauer benannte Helmertturm. Dies gestaltete sich schwierig, da er im originalen Netz nicht enthalten war. Trotzdem bildete er schließlich 1944 den Zentralpunkt für ein Netz, das vom Atlantik bis in den Ural und vom Nordkap bis weit nach Persien ging. Diese Daten waren für die Alliierten auch nach dem Krieg noch von höchster Brisanz, so dass die USA 1945 innerhalb von vier Stunden sämtliche Unterlagen von Friedrichroda in Thüringen nach Bamberg transportieren líeß, um dort das Institut für Angewandte Geodäsie zu gründen, das später nach Frankfurt am Main übersiedelte und heute als Bundesamt für Kartographie und Geodäsie für das Geodätische Observatorium federführend ist. Dieses ist wie damals der Helmertturm eine der globalen, geodätischen Marken.

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