Jonglieren mit Atomen - Quantenoptik in den Geowissenschaften

 

Der Mikrokosmos der Quantenphysik im Dienste der Vermessung
GIZ-Vortrag über Quanten-Gravimeter und der Physik dahinter


Als Isaac Newton der Geschichte nach in seinem Garten den berühmten Apfel vom Baum fallen sah, war im 17. Jahrhundert eines der wichtigsten Gesetze im Makrokosmos gefunden: das Newtonsche Gravitationsgesetz. Es besagt, dass sich zwei Massen gegenseitig anziehen und dabei beschleunigt aufeinander zu fallen. Die Gravitation ist die strukturgebende Kraft im Universum, die Galaxien und den Raum formt und Sonnensysteme und Planeten auf ihren Umlaufbahnen hält. Taucht man in den Mikrokosmos der Atome, werden die klaren Verhältnisse der Umlaufbahnen durch diffuse Wolken aus negativ geladenen Elektronen um positiv geladene Kerne ersetzt. Entsprechend der Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen bilden sich Bereiche aus, die von Elektronen besetzt oder nicht besetzt werden können. Diese so geformte, „delokalisierte“ Materie der Quantenmechanik, in der man den Aufenthaltsort der Materie nur mittels Wahrscheinlichkeitsrechnungen erfassen kann, ist die strukturgebende Kraft des Mikrokosmos. Trotz dieser völlig unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten lässt sich der Makrokosmos mit der Physik des Mikrokosmos vermessen, wenn man mittels Lasers geeignet manipulierte Atome im freien Fall zur Bestimmung der Fallbeschleunigung nutz und damit quasi wieder den Fall des Newtonschen Apfels bestimmt. Von dieser Technik jenseits der normalen Vorstellungskraft berichtete am vergangenen Donnerstag Prof. Dr. Ernst M. Rasel von der Leibnitz Universität Hannover in seinem GIZ-Vortrag „Jonglieren mit Atomen – Quantenoptik für die fundamentale Physik und die Geowissenschaften“.

Die Theorie dahinter ist durchaus anspruchsvoll und basiert auf der Atominterferometrie. Jeder Materie ist eine Wellenlänge zugeordnet, die über den Impulssatz mit einer Masse-Geschwindigkeitsbeziehung verbunden werden kann. Das bedeutet, dass Laserlicht in der richtigen Resonanzfrequenz einen Impuls und damit Lichtdruck auf ein Atom in Richtung des Lichtstrahls übertragen kann. Durch geeignetes Einstrahlen des Laserlichts lassen sich die Energiezustände der Atome so verringern, dass sie abgebremst werden und damit einen bestimmten inneren Zustand einnehmen. Die Materie wird dadurch auf wenig über den absoluten Nullpunkt abkühlt. In Verbindung mit Magnetfeldern werden zudem Atome einer bestimmten Geschwindigkeit festgehalten und damit eingefangen. Vergleichbar ist dies mit einer Kaffetasse, in der nur die Wassermoleküle zurückbleiben, die nicht schnell genug sind, um als Dampf zu entfliehen.

Aufgrund des Wellen-Teilchen-Dualismus verhält sich jedes Atom dann ebenso wie eine Welle und kann durch einen Strahlteiler gleichzeitig verschiedene Zustände einnehmen. Wird so ein Atom gezielt einem Fall unterzogen, verhalten sich die unterschiedlichen Zustände beim Fallen unterschiedlich. Während des Falls werden verschiedene Zustandswechsel veranlasst. Bei der anschließenden Detektion bildet sich dadurch wie bei einem Lichtspaltversuch ein Interferenzmuster, das klare Rückschlüsse über den Fall ermöglicht. Die Beschleunigungsveränderungen durch den Einfluss von Ebbe und Flut oder durch andere Massenvariationen werden so exakt mittels der fallenden Atome messbar. Aktuell wird diese Technik stetig verbessert. Waren vor Jahren noch riesige Experimentieraufbauten nötig, können heute mit zentimetergroßen Atomchips bestückte Messinstrumente dazu genutzt werden, um den Fragestellungen der fundamentalen Physik auf den Grund zu gehen und damit zu beweisen, ob das Newtonsche Gravitationsgesetzt wirklich korrekt ist. Test in der Schwerelosigkeit, die z.B. im Bremer Fallturm oder bei Raketenflügen durchgeführt werden, haben die Eignung der Apparatur bereits unter Beweis gestellt.
 

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